26. Juni 2011

Syrien. Die Hezbollah verlegt ihr Waffenarsenal in den Libanon

Der Starkorrespondent des Figaro, Le Grand Reporter Georges Malbrunot, ist mit Abstand dessen bester Mitarbeiter. In keinem anderen MSM bekommt man genauere Informationen über die Lage im Nahen Osten. Danke dafür!

Am 24. Juni berichtet er über die Aktivitäten der Hezbollah: Le Hezbollah rapatrie son arsenal de Syrie. Die Terrororganisation befürchtet einen Machtwechsel. Nun folgt eine exakte Schilderung. Der Iran benutzt Syrien, um die für die Hezbollah bestimmten Waffen möglichst nahe an den vorgesehenen Kampfplatz gegen Israel zu bringen. An der Grenze zum Libanon, in Douma und Homs lagern die Boden-Boden-Mittelstreckenraketen Zilzal, die Raketengeschosse Fajr 3 und Fajr 5, zum Einsatz gegen Israel.

Bereits am 25. Oktober 2010, also vor dem "arabischen Frühling", hat der Korrespondent über die Depots berichtet. "Sie unterstreichen die Stärkung der Positionen des Parti de Dieu [der Partei Gottes - sic!] bei seinem Nachbarn im Laufe der letzten Jahre." Einige Depots der Hezbollah befänden sich in dichtbevölkerten Zonen, vor allem in Douma und in Homs, "die die Zentren des Protestes gegen das syrische Regime beherbergen." Damit bestätigt er indirekt, was die Israelis im Libanonkrieg 2006 behaupten, daß die Terroristen Menschen als Schutzschilde benutzen.

Die Hezbollah hat bislang davon profitiert, daß Israel Syrien ausgespart hat im Kampf gegen die schiitischen Milizen, was sich jetzt geändert habe, seit in Syrien viel gefährlichere Waffen lagern. Nun heiße es also, die Waffenlager, ohne daß die libanesische oder syrische Bevölkerung etwas bemerkt, in den Libanon zu verlegen. Die Menschen der Gegend unterstützten nämlich Verbündete der syrischen Regierung nicht, und außerdem fürchten die Milizen der Hezbollah eine Bombardierung durch die Israelis.

Le Figaro bringt zum Artikel eine Graphik, auf der man nebenbei sehen kann, daß die UNIFIL im Libanon, an der Grenze zu Israel, allein dazu da ist, einen Einmarsch der israelischen Armee in den Libanon zu verhindern, die Vereinten Nationen fördern damit direkt die Hezbollah und den Iran. Die Art der neueren Waffen schmälert deren Schlagkraft nicht, wenn sie nördlich des Litaniflusses gelagert werden. Teheran hat dort über Strohmänner und Firmen der Hezbollah libanesische Dörfer aufgekauft und die Zone nördlich des Litaniflusses zum Aufmarschgebiet für Waffen ausgebaut.

Nun sind also syrische Sicherheitsdienste in Zusammenarbeit mit der Al-Qods Force, den im Ausland operierenden iranischen Milizen, dabei, von einem Kommandoposten im Flughafen von Damaskus aus die Verlagerung zu organisieren. Soweit auch zur Behauptung der iranischen Regierung, sie verübe keinen Terror im Ausland.

Für die Freunde der türkischen Mavi Marmara hält Georges Malbrunot ein Schmankerl bereit, in dem er von einem Zwischenfall im türkischen Luftraum, am 19. März 2011, berichtet, da ein mit Waffen beladenes Frachtflugzeug des Iran nicht im syrischen Aleppo landen kann, sondern von zwei türkischen Kampfflugzeugen ins türkische Diyarbakir umgeleitet wird. Die Ladung besteht aus für die Hezbollah bestimmten Raketen- und Granatwerfern, aus Schnellfeuergewehren und Munition. Die Europäer setzen anschließend die Führungsspitze der Al-Qods Force der "Verwicklung in Lieferung von Material und Unterstützung des syrischen Regimes bei der Unterdrückung der Demonstrationen" wegen auf die Sanktionsliste, auf der sich der Kommandant der Revolutionsgarden Ali Jafari und Hussein Taeb, einer seiner Stellvertreter, bereits befinden.

Georges Malbrunot unterschlägt die religiöse Komponente

Nach all diesen schönen Entwicklungen, die ohne jedes Zutun Israels ablaufen (Exodus 14:14), das syrische Regime geschwächt, die Hezbollah, ungeliebt von syrischen und libanesischen Demonstranten, vertrieben aus ihren Ständen in Syrien, ein iranisches Frachtflugzeug von türkischen Jägern umgeleitet, iranische hochrangige Kämpfer auf europäischen Sanktionslisten, wüßte man gern, warum es so gekommen ist, aber darauf gibt Georges Malbrunot keine Antwort, obgleich er sie wissen müßte. Im Gegenteil, er tut alles, die Zusammenhänge im Dunkel zu belassen.

Es geht los mit der Bezeichnung des Assad-Regimes als "baasiste", als ba'athistisches Regime, dessen Fall vorausgesagt werde, was ja auch Ehud Barak im Figaro mit Zeitfenster verkündet, spätestens am 18. Dezember 2011 schauen wir, ob er recht hatte; denn dann ist das halbe Jahr um. Die arabische Baath-Partei, die "Arabische Sozialistische Partei der Wiedererweckung" das weiß selbst Wiki, ist eine sozialistische Bewegung, eine Art Auferstanden aus Ruinen.

Georges Malbrunot liefert damit nur die halbe Wahrheit. Die religiöse andere Hälfte verschweigt er. Da bekommt man in der Hannoverschen Allgemeinen bessere Informationen über die Assad-treuen Kämpfer gegen die Demonstranten, auch wenn es keine weitere Erklärung dazu gibt: "Diese Miliz rekrutiert ihre jungen Mitglieder vor allem unter den Angehörigen der alawitischen Minderheit, zu der die Familie von Präsident Baschar al-Assad gehört."

Anscheinend wird überall vorausgesetzt, daß es niemanden interessiert, was die "alawitische Minderheit" ist, nämlich eine religiöse Bewegung, und was sie für die politische Lage in Syrien und im Nahen Osten bedeutetete, bedeutet und bedeuten wird. Die Nusairier oder Alawiten "sind Teil der nahöstlichen, schiitischen Gemeinschaft und der letzte Überrest der irakischen Ghulu. Die Nusairier leben hauptsächlich in Syrien, der Türkei und im Libanon."

Diese religiöse Konnotation läßt Georges Malbrunot aus. In Homs, der mit 1,5 Millionen Einwohnern nach Damaskus und Aleppo drittgrößten Stadt Syriens, lebt eine sunnitische Mehrheit. Die Protestbewegung im mehrheitlich sunnitischen Syrien wird von den Muslimbrüdern unterstützt und angeleitet. In einer auf der Website der MB veröffentlichten Stellungnahme, vom 22. Juni 2011, heißt es: "Für die jungen Syrer, die die Hauptakteure im Aufstand sind, hat Assad darin versagt, die neue Politik anzuerkennen, die sie vertreten. Die örtlichen Koordinierungskomitees, die hauptsächlich von jungen Aktivisten geführt werden, haben eine Erklärung herausgegeben, die seine Idee von einem nationalen Dialog solange zurückweist, wie die Demonstrationen gewaltsam unterdrückt werden."

Die "jungen Syrer" sind Mitglieder der Muslimbruderschaft, die "neue Politik" ist die des sunnitischen Islam.

Auch mit der Bezeichnung der Hezbollah als "Parti de Dieu", Partei Gottes, lenkt Georges Malbrunot von der Religion des Islam ab. Es ist die Partei Allahs, hezb-ollah. Man kann darauf an, daß diejenigen, die Allah = Gott setzen, entweder nichts vom Islam und seinem Allah verstehen, oder aber den Unterschied zwischen dem jüdisch-christlichen Gott und Allah sehr genau kennen, das Publikum aber fehlleiten. Georges Malbrunot kann nur zur zweiten Kategorie gehören. Warum er das tut ist offensichtlich: "Gott" weckt andere Assoziationen als "Allah", mit dem Begriff "Gott" bewegt man sich in unserem Kulturkreis der Zehn Gebote, wie laizistisch man auch sein mag.

Die syrische und libanesische Bevölkerung ist weniger gegen die Unterstützung des Baath-Regimes als gegen die Unterstützung der alawitischen Schiiten durch die schiitische Hezbollah. Das kann der Korrespondent wahrscheinlich deshalb nicht deutlich sagen, weil dann die vom Westen aufrecht erhaltene Fiktion von der demokratischen Bewegung, dem "arabischen Frühling" zusammenbräche. Wer in den Ländern Demokratie will, das ist eine Promille-Bewegung. Die große Mehrheit will Islam.

Zum Vorfall, angeblich vom 19., tatsächlich aber vom 16. März 2011, da türkische Kampfflugzeuge eine iranische Waffenlieferung nach Diyarbakir umleiten, gibt Georges Malbrunot keine Erklärung. Die Politik der Türkei, wenn auch noch nicht in den Ausmaßen sunnitisch-islamisch geprägt wie die der Opposition in Ägypten und Syrien, macht sich die Schwächung des Irans zunutze und besinnt sich auf ihre syrische Provinz. Der Hinweis auf die viermotorige Iljuschin 76 zeigt Häme gegenüber Mütterchen Rußland und deren Kumpanei mit dem Iran. Die Türkei wendet sich ab vom schiitischen Iran und dessen Abenteuern mit der Hamas in Gaza, der wildgewordenen Zweigstelle der Muslimbruderschaft. "Aus Sicherheitskreisen verlautete, das Flugzeug könne Waffen oder Atommaterial als Fracht an Bord gehabt haben. Solche Transporte müssten der Türkei vor dem Überfliegen gemeldet werden," berichtet die Deutsche Türkei Zeitung.

Im Figaro wird selbst von erstklassigen Korrespondenten wie Georges Malbrunot das zentrale Thema ausgespart, der Kampf der Vertreter der Islamrichtungen gegeneinander um die Vorherrschaft. Man müßte dann nämlich zugeben, daß es sich beim Islam um eine Politideologie mit religiösen Komponenten und nicht um einen durch Gesetze über die Religionsfreiheit geschützten Glauben handelt. Die Staaten der Region, Ägypten, Syrien, der Libanon, Jordanien, der Iran und die Türkei sowie, was sonst noch an islamischen Staaten nah und fern um Israel herumliegt, positionieren sich zunehmend ihren religiösen Richtungen entsprechend. Für den Iran und Syrien wird es Zeit, sich wieder mehr auf Taqiyya zu besinnen - auch wenn es wahrscheinlich nichts bringt, insha'allah.