22. Mai 2011

ZEIT Online und der Lobbyverein Aipac


Es gibt wieder einen der zahlreichen Artikel über das Verhältnis der USA zu Israel, und es ist wieder einer, der nicht informiert, sondern vorgefertigte Meinung an die Leser bringt. Ich wüßte gern, welche Rolle Dr. Josef Joffe in der ZEIT spielt. Keine? Es geht um die Jahreskonferenz des amerikanisch-israelischen Lobbyvereins Aipac, des American Israel Public Affairs Committee (AIPAC), minimiert und in seiner Bedeutung reduziert zu "Aipac". Die Reizvokabel "Lobbyverein" muß sein, setzt der Autor doch darauf, daß deutsche Leser etwas Negatives unter Lobby verstehen. Unter dem Foto des POTUS steht dann Lobbyorganisation Aipac.

Die ZEIT schreibt einmal so, einmal anders; im Deutschen ist ein Verein etwas anderes als eine Organisation. Oder hat schon jemand von der Kaninchenzüchterorganisation gelesen?

Nun folgt nicht Information über die Jahreskonferenz, sondern Martin Klingst beginnt mit seiner Wahrheit über die Lage: "Mit aller Macht wird in diesen Tagen wieder deutlich: Wird dieser blutige Disput im Herzen der arabischen Welt nicht beigelegt, wird der Nahe und Mittlere Osten nie zur Ruhe kommen." Der Verlauf der Geschichte der letzten 1400 Jahre - es würde reichen, sich die historischen Ereignisse des Nahen Ostens etwa ab Ende des 18. bis Ende des 19. Jahrhunderts vorzunehmen - zeigt jedem, der lesen kann, daß dieser Konflikt nicht der zentrale ist. Die Lektüre des Buches The Strong Horse kann hilfreich sein. Michael J. Totten läßt den Autor Lee Smith die Ergebnisse seiner Recherchen erläutern: Why They Hate Us.

Auch der "arabische Frühling" der letzten Monate könnte weiterhelfen in der Erkenntnis, daß die Konflikte im Nahen und Mittleren Osten vom arabisch-israelischen nicht beeinflußt werden. Was muß geschehen, daß Journalisten wie Martin Klingst endlich die Tatsachen anerkennen, anstatt die Zeitung mit ihrer durch nichts gerechtfertigten Meinung vollzumüllen?

Er kommt auf die Rede des Kandidaten Barack Obama (36:27) auf der AIPAC-Jahreskonferenz 2008, vom 4. Juni 2008, einen Tag nach seiner Inthronisierung als offizieller Kandidat der Demokraten, Martin Klingst würde vielleicht schreiben: auf der Vereinsversammlung? Da befindet Barack Obama sich im Höhenflug und gibt (18:56) vor den begeistert jubelnden Teilnehmern ein Versprechen ab über das ungeteilt Israel zu erhaltende Jerusalem. "Kurz darauf musste er seine Aussage revidieren", er sei "leicht waghalsig" gewesen. Warum muß er das revidieren, was seine Beamten bis heute nicht von YouTube entfernt haben? Noch heute kann man das leere Versprechen dort sehen und hören. Ob der Präsident damit rechnet, daß Juden darauf noch einmal hereinfallen? Sollte Thilo Sarrazin mit den Judengenen so unrecht haben?

Ein Blick in die Washington Post des Washington-Korrespondenten hätte gereicht: "Facing criticism from Palestinians, Sen. Barack Obama acknowledged yesterday that the status of Jerusalem will need to be negotiated in future peace talks, amending a statement earlier in the week that the city 'must remain undivided'," schreibt Glenn Kessler. Schroff weist Mahmud Abbas dieses Ansinnen zurück, und der Kandidat kommt dem nach. Noch niemals hat dieser Präsident sich gegen Forderungen der Palästinenser gestellt. Warum verschweigt die ZEIT das?

Es geht so weiter: "Vor allem zählte er [Barack Obama] auf, was seine Regierung schon alles für Israel getan habe: Aufstockung der Militärhilfe auf Rekordhöhe; Lieferung neuester Raketentechnologie; Austausch der Waffenforschung." Das hat er in erster Linie für die Interessen der USA getan. Noch nie haben die USA den Israelis einen Gefallen getan oder ihnen eine Hilfe angedeihen lassen, ohne daß es in ihrem Sinne gewesen wäre. Zahlreiche Beispiele für die gegenteilige Situation sind bekannt, da die USA Israel haben im Regen stehen lassen, von der USS Liberty bis zum Irakkrieg. Dafür kann man den USA keinen Vorwurf machen, jedes Land sollte seine eigenen Interessen zuerst sehen.

Die im AIPAC zusammengeschlossenen Juden "glauben" nicht, sondern sie wissen durch Erfahrung seit Amtsantritt des Präsidenten, daß er "grundsätzlich zu nachgiebig gegenüber den Palästinensern" ist. Ihre Skepsis besteht zurecht; denn Barack Obama kratzbuckelt lieber vor dem saudischen König, als die gemeinsamen strategischen Interessen der USA und Israels zu erfassen.

"Schon auf den Gängen äußerten manche Teilnehmer, Obama habe ja nicht völlig unrecht, aber ..." Das ist doch nicht der Ernst einer Zeitung wie der ZEIT, solche unqualifizierten Äußerungen abzunehmen?! Das ist auf dem Niveau von Hörensagen und Verbreiten von Gerüchten oder auch auf dem der Talkshow von Giovanni di Lorenzo mit Margot Käßmann. Welches "aber..."?

"Wer jetzt inmitten des arabischen Chaos nicht unverzüglich an den Verhandlungstisch zurückkehrt und Frieden schließt, wird dauerhaft verlieren. Die Ereignisse in Arabien, warnte Obama, entwickelten sich rasend schnell." Dieser Satz sollte, um auch nur annähernd den Anforderungen der Gegenwart Rechnung zu tragen, so lauten:

Wer jetzt inmitten des arabischen Chaos an den Verhandlungstisch zurückkehrt, gar meint, man könne Frieden schließen, wird dauerhaft verlieren. Die Ereignisse in Arabien entwickeln sich rasend schnell hin zu ganz neuen Gegnerschaften und Verbindungen. Heute noch Hamas-Unterstützung durch den Iran, morgen Gaza unter Muslimbruderschaft und ägyptischem Militär. Heute noch Fatah Gegnerin der Hamas, morgen das Westjordanland von dem Terrorverein überrollt. Heute noch Syrien Freund des Iran, morgen unter Schirmherrschaft der Türkei. Israel in dieser Lage aufzufordern, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, das kann auch nur einer, der dem Land nichts Gutes will. Barack Obama beweist das seit Amtsantritt, er hat den Aufruhr in den arabischen Staaten losgetreten, mit dem Interview bei Al-Arabiya, der Kairoer Rede und allen weiteren Äußerungen. Er beweist mit dem Vorgehen der USA, Frankreichs und Großbritanniens in Libyen, daß er entweder die Kräfteverhältnisse nicht kennt oder sie kennt und unterstützt. Ich vermute letzteres.

Dem Benjamin Netanyahu Renitenz bescheinigt der Korrespondent durch ein Adjektiv: "brüsk". Statt einer Erklärung wird man auf einen Link verwiesen, aus dem nichts hervorgeht, was man als "brüsk" bezeichnen könnte. Es ist der Phantasie des Martin Klingst gedankt. Der Israeli zeigt sich hingegen "enttäuscht", und die Hamas reagiert "scharf und abweisend". Es ist also anders, man braucht nur den Link zu lesen.

Der Präsident, erfährt man vom Korrespondenten, dreht und windet sich, was er gesagt, was er nicht gesagt hat. "Der Saal applaudierte. Als Obama den Saal verließ und so genannte Nahostexperten die Bühne besetzten, sagte einer von ihnen, er traue diesen Beteuerungen des Präsidenten nicht. Wieder applaudierte der Saal."

Ja, Martin Klingst, die "sogenannten Nahostexperten", wer sind denn die? Gibt es nicht einen einzigen Namen, sind Sie nicht dort gewesen? Oder müssen Ihre Leser annehmen, daß es nur einen Nahostexperten gibt, nämlich Sie?