25. Juni 2017

Demokratie in Frankreich. Fortsetzung

Acht frischgebackene LREM-Abgeordnete 

Der LREM-Durchmarsch nimmt totalitäre Formen an. Zwei LREM-Abgeordnete wagen, sich zu enthalten, als Richard Ferrand per Handzeichen zum Fraktionsvorsitzenden gewählt wird. 


" 'Man hätte gar nicht zu wählen brauchen (...) so sehr hätten der Beifall und der Applaus ausgereicht, ' rechtfertigt sich Christophe Castaner. Was die Wahl per Handzeichen angeht, hat er verneint, daß es sich um ein Mittel gehandelt haben könnte, einen eventuellen Protest zu verhindern. Und während  die Opposition sich über die Zweckmäßigkeit fragt, an der Spitze der macronistischen Abgeordneten einen ehemaligen [sozialistischen] Minister zu sehen, gegen den Vorermittlungen [wegen Korruption] laufen, hat Christophe Castaner beteuert, daß er 'nicht denkt, daß es ein Problem Richard Ferrand gibt'."

Am Tag zuvor erhalten die LREM-Abgeordneten, die "Marschierer"; ihren Marschbefehl: Les députés "marcheurs" reçoivent leur feuille de route, titelt Le Figaro, am 23. Juni 2017. Die Parlamentariergruppe von 308 LREM-Abgeordneten wird eingeschworen auf Emmanuel Macron.

Der ehemalige Sozialist Olivier Véran erklärt: "Wir alle verdanken Emmanuel Macron unsere Wahl."

Und so ist in der Nationalversammlung alles umgekehrt wie in einer funktionierenden Demokratie: Nicht die 308 LREM-Abgeordneten kontrollieren die Regierung und legen Gesetze vor, sondern Staatspräsident Emmanuel Macron und seine Regierung unter Édouard Philippe bestimmen, ob durch Gesetz oder Erlaß, wird von Fall zu Fall entschieden. Heil Macron!


Die Lage bei den anderen Parteien ist nicht besser. 432 Neulinge von 577 Abgeordneten der Nationalversammlung werden, eingestimmt von 145 erfahreneren Kollegen, als Schafe oder Aktivisten den Anordnungen und Parolen folgen, die einen, weil sie sich mit Emmanuel Macron identifizieren, die anderen, weil sie durch machtvolles Auftreten ihrer Führer aus dem Tief heraus wollen.

Hélène Bekmézian, eine Berichterstatterin aus diesem Sumpf und Autorin des Buches "Ich gehe dann mal in die Nationalversammlung zum Schlafen", J'irai dormir à l'assemblée, erklärt in einem Interview [nicht online] mit unserem Lokalblatt L'Indépendant, veröffentlicht am Sonntag, 25. Juni 2017, daß Emmanuel Macron schon einmal Interesse gezeigt hätte "für die parlamentarischen Angelegenheiten".

Die jungen Abgeordneten der letzten Nationalversammlung wären alle desillusioniert, die Mehrheit von ihnen hätte nicht wieder kandidiert, und nun hofften die neuen, daß der Staatspräsident und der Premierminister ihnen mehr Macht und Handlungsfreiheit zugestehen werden, plus de pouvoir, plus de latitude aux députés. Also, die von den Bürgern gewählten Abgeordneten, warten darauf, daß diejenigen, die sie kontrollieren sollten, ihnen "mehr Macht" zugestehen. Emmanuel Macron hätte schon während der Ausarbeitung der Loi Macron, des "Wachstums- und Beschäftigungsgesetzes", seinen Willen gezeigt, die Abgeordneten anzuhören und mit ihnen zu arbeiten. Ist das nicht großzügig? Läßt es nicht hoffen? Die wahre Opposition werde sich auf der Straße artikulieren, meint die Kennerin.

Dessen sind wir gewiß. Im September geht's los.