21. Januar 2019

Der Tory-Abgeordnete Sir Nicholas Soames über den Brexit


Wer am 21. Januar 2019 den Figaro auf der Seite 6 aufschlägt, liest eine ganze Seite über den Brexit. Figaro-Korrespondent Florentin Collomp liefert die obere Hälfte der Seite, und ein Interview mit Sir Nicholas Soames, dem 70-jährigen Enkel, Sohn der Tochter des zweifachen Premierministers Sir Winston Churchill (30. November 1874 - 24. Januar 1965), füllt die untere Hälfte. 

Das Interview mit dem ehemaligen Militär, dem Staatsminister für die Armee, 1994 bis 1997, und Tory-Abgeordneten seit 1983 wurde von Florentin Collomp und der WELT-Korrespondentin Stefanie Bolzen geführt. Beide Fassungen, die deutsche und die französische, findet man im Internet; sie sind reserviert für Abonnenten. Ich zitiere aus der französischen.

"Brexit: 'Churchill hätte das alles besser in den Griff bekommen als wir'"


Eine Abrechnung mit der Politik der Angela Merkel und des Emmanuel Macron

Der Königliche Husar Sir Nicholas Soames diente Ende der 60er Jahre in Deutschland und dem Vereinigten Königreich. Er hält es weniger mit dem Husarenritt und dem Säbel, als mit dem Florett, wenn es darum geht, die Regierungschefs Deutschlands und Frankreichs an ihrer verletzlichsten Stelle zu treffen: touché!

Er ist Remainer und wird für seine pro-EU-Stellungnahmen von den Brexiteers ständig als "Verräter" bezeichnet. Er war unter den 202 Abgeordneten, die für den Deal der Theresa May gestimmt haben. 118 Tories stimmten dagegen.

Dieser Tory, der seit der Vorbereitung des Referendums nicht müde wird, für den Verbleib in der EU einzutreten, der sich, im Mai 2016, auf seinen Großvater bezieht: Churchill would back Remain, der am 17. Juli 2018 in einer viel beachteten Rede im Unterhaus vorschlägt, alles noch einmal auf Null zurückzufahren und ein zweites Referendum durchzuführen: 'Blow up the whole damn thing and start again', der hat für die Regierungschefs von Florentin Collomp und Stefanie Bolzen nur noch vernichtende Worte:

"Und ich denke, daß Europa besser dran sein wird, trotz der Erklärungen, nach denen Großbritannien ihm sehr fehlen wird. Sie können jetzt, ohne daß eine einzige Person, ich sage sehr wohl Person, sich ihnen in den Weg stellt, mit ihrer Integration fortschreiten, immerzu tiefer, mit ihrer Einheitsarmee, oder was weiß ich noch. Die kleinen Staaten lassen sich, wie gewohnt, von Frankreich und Deutschland mit Füßen treten. Unser größter Fehler war es, sie in Richtung politischer Einheit fortschreiten zu lassen. Das ist eine Tragödie."

Er sagt, daß Großbritannien nie mit einem solchen Ziel der EU beigetreten ist, sondern aus pragmatischen Gründen, die britischen Politiker, denen er Unreife bescheinigt, hätten sich aber nicht genug dagegen gestellt, obgleich nicht nur die britischen Bürger, sondern auch die gesamte Murdoch Presse immer gegen eine solche Entwicklung gewesen wären. Heute ist er nicht mehr für ein zweites Refenrendum, das wäre eine Schande. Es könnte außerdem durchaus sein, daß beim zweiten Durchgang die Zustimmung zum Brexit noch höher ausfiele.

Die Bürger und ihre Medien haben die gesetzwidrige Grenzöffnung im Alleingang durch Angela Merkel, im September 2015, und die markigen Worte des Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron über seinen Führungsanspruch in Europa zur Vorbereitung der Vorwahlen, 2016, vernommen und durch ihr Votum für den Brexit abgelehnt. Ihre Interessen wurden und werden bis heute von Deutschland und Frankreich nicht in Betracht gezogen, das wußte schon Margret Thatcher. Die Interessen und Forderungen Großbritanniens werden in Brüssel als "Sonderwünsche" diffamiert. Für das Handelsblatt ist die Premierministerin "die britische Diva". Man google "I want my money back". Das war 1984. Frankreich fand es ganz selbstverständlich, daß mit EU-Milliarden seine Agro-Industrie subventioniert wurde. Der grenzenlosen EU, Stichwort: Schengen, wollte Großbritannien auch nicht beitreten. Die Weisheit dieser Entscheidung versteht die Bundesregierung heute noch nicht; da können gern noch weitere zwei Millionen nicht zu integrierende Wirtschaftsmigranten Deutschland fluten.

Deshalb waren und sind die Briten und die Murdoch-Medien für den Brexit.


"Rupert Murdoch wurde einmal gefragt, warum er die EU so hasse. 'Das ist einfach,' antwortete er. 'Wenn ich in die Downing Street [Nr. 10 ist Sitz des Premierministers] gehe, tun sie, was ich sage, wenn ich nach Brüssel gehe, nehmen sie keine Notiz.' Kein Wunder also, daß er ein leidenschaftlicher Unterstützer des Brexits war."

In Brüssel hören sie halt eher auf Friede Springer, die Freundin der Angela Merkel.

Rupert Murdoch ist am 11. März 1931 in Australien geboren. Er schuf in den 50er und 60er Jahren in Australien und Neuseeland ein Medien-Imperium. Dann expandierte er nach Großbritannien. 1974 siedelte er nach New York über, um sein Imperium in die USA auszuweiten. 1985 gab er seine australische Staatsbürgerschaft auf und wurde Staatsbürger der USA. Mit 19,2 Milliarden Dollar Besitz ist seine Familie die 26. reichste der USA.

Jetzt google man Rupert Murdoch Trump und das Feindbild aller Festland-Medien ist perfekt.

"Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, um unsere Position in der Welt zu halten," sagt Sir Nicholas Soames im Interview. "Die Leute denken, Großbritannien hat seinen Gemeinsinn verloren ... Ganz Europa ist die Beute einer sehr großen Erhebung. Der Brexit ist davon nur ein Ausdruck."

Selbstverständlich erwähnen deutsche Internet-Auftritte, die aus dem Interview des Sir Nicholas Soames zitieren, nichts, das dessen resignative Äußerungen verständlich machen könnte.

Pfalz Express. Churchill-Enkel Soames: Großvater wäre gegen Brexit gewesen
FinanzNachrichten. Churchill-Enkel Soames: Großvater wäre gegen Brexit gewesen

"Ohne den Zwang zur Integration wäre der Brexit niemals passiert", titelt die WELT am Sonntag.

Zitiert wird aus dem Interview der Stefanie Bolzen das, was den "Klappernden Zug" Großbritannien im schlechten Licht dastehen läßt, daß die britische Regierung die Lage nicht unter Kontrolle hätte, mit dem Fazit des traurigen, mit seiner Regierung hadernden Sir Nicholas Soames: "Ich bin ein überzeugter Remainer, aber ich habe akzeptiert, dass wir das Referendum verloren haben."

Sein Spruch über Jeremy Corbyn kommt bei keinem dieser Medien vor:

"Jeremy Corbyn würde sterben, wenn er in die Regierung käme: Er hat sein ganzes Leben damit verbracht, gegen die Regierung zu sein."

Wem schadet der Brexit? 19. Januar 2019
Anne Will und das mangelnde deutsche Problembewußtsein. 20. Januar 2019