4. Oktober 2024

Ein Abend im Singapur der 80er Jahre

Hong Kong, Shanghai, Singapur. Von diesen drei Städten liebe ich Hong Kong am meisten, vielleicht, weil ich da nicht wie in Shanghai dienstlich unterwegs bin und arbeiten muß, sondern einen Zwischenstopp einlege. In Taipeh bin ich nie gewesen und in Singapur ebenfalls im Zwischenstopp. 

In Asien wohne ich während meiner oft wochenlangen Aufenthalte in guten Hotels der Mittelklasse, wo ich aber selten zu Abend esse, zu teuer und zu touristisch. 

Singapur ist eine Art chemisch gereinigtes Hong Kong und blitzblank; darum steht es bei mir erst an dritter Stelle. An jeder Straßenecke hängen Schilder, daß fürs Wegwerfen einer Zigarettenkippe 500 S$ Strafe fällig sind. 

In den 80ern ist 1 S$ = 1 DM wert, einen halben Yankee Dollar, wenn ich mich recht erinnere. Heute ist 1 S$ = 0,70 €. Ich merke es an den Preisen. Alles kostet in Euro, was es damals in D-Mark kostete.

In Hong Kong und in Singapur gibt's in der Stadt und außerhalb Restaurants in entlegenen Gegenden, wo außer dem Restaurantbesitzer kaum einer Englisch spricht. Chinesischer ist’s nirgends!

Aber wo, in Singapur, ist das beste Restaurant, richtig chinesisch, wohin die Touristen nicht kommen, wo man, wenn man wie ich die Sprache nicht kann, von außen kaum bis gar nicht erkennt, daß es ein Restaurant ist? Dazu frage ich den Taxifahrer, der mich vom Hotel abholt: Ich möchte in einem echten chinesischen Restaurant essen, da, wo die Chinesen essen, beispielsweise Sie!

Der Taxifahrer fährt durch zahlreiche Straßen und bringt mich, etwas abseits, zu einem Restaurant unter freiem Himmel. Ich werde in den Garten geführt, wo an großen runden Tischen ausschließlich chinesische Familien sitzen, einige mit Kindern, acht Personen, zwölf Personen, sechs Personen. Die Tische haben einen runden Aufbau, den man drehen kann, und auf dem die Speisen stehen.

Alle gucken erstaunt: Eine alleinstehende ausländische, europäisch aussehende Frau!

Der Taxifahrer sagt etwas zum Besitzer des Restaurants und verläßt dieses.

Es wird für mich ein kleiner runder Tisch für maximal vier Personen gebracht, anscheinend der kleinste, den sie haben; er wird mitten zwischen die großen Tische gestellt, ich bin umringt.

Was möchten Sie trinken? – Grünen Tee, bitte!

Ich warte auf die Speisekarte, die aber nicht gebracht wird, sondern ein Gericht und Stäbchen. Bitte sehr! gestikuliert der Kellner, spricht etwas auf Chinesisch, lacht und weist mit einer Handbewegung in Richtung eines der Tische. Ich schaue dorthin, und alle am Tisch lachen und freuen sich.

Das Gericht verspeist, gibt's das nächste und die gleiche Szene; an einem anderen Tisch lachen alle, winken und freuen sich. So geht das einige Male, ich kann kaum noch, bin rundum satt.

Zwischendurch wagen es zwei freche Mädchen, so ca. sechs, sieben Jahre alt und mit langen spirrigen schwarzen Zöpfchen, bis auf einige Zentimeter an meinen Tisch vorzudringen; sie schauen mich ein wenig zweifelnd und prüfend an, kichern und eilen stracks wieder zu ihrer Familie.

Als ich zahlen will, ist schon alles beglichen. An allen Tischen nicken sie mir zu, ich nicke freundlich zurück und zeige ihnen meine Dankbarkeit, in dem ich meine rechte Hand aufs Herz lege und mit der linken allen in alle Richtungen zuwinke.

Ich bitte den Besitzer des Restaurants, ein Taxi zu rufen. Ich soll etwas warten. Nach zehn Minuten kommt derselbe Taxifahrer, der mich in dieses wunderbare Restaurant gebracht hat, und holt mich ab. Herzlichen Dank und ein gutes Trinkgeld für ihn! Unvergessen!

Diesen Artikel widme ich Steven Weathers, im fernen Shanghai!
I dedicate this article to Steven Weathers in far away Shanghai!

Stephen Weathers in an email to me: I'm sure you encountered the same warm hospitality from the Chinese people I have, I guess without the modern conveniences of the high speed rail and maglev.

Yes, Sir, as you can see above! 😄