6. März 2012

FAZ. Dahinter steckt immer ein kluger Kopf

Der israelische Ministerpräsident weilt zu Besuch im Weißen Haus. Klaus-Dieter Frankenberger, der verantwortliche Redakteur für Außenpolitik, weiß Bescheid. Benjamin Netanyahu und Barack Obama sind nicht "ein Herz und eine Seele". Welch ein Glück für Israel, kann man da nur seufzen. Gestik und Mimik bedarf es nicht, das einzuschätzen. Der FAZ-Journalist unterstellt dem Barack Obama, daß der Friedensprozeß im Nahen Osten eines seiner Hauptanliegen sei. Woher weiß er das? Weil der Präsident das verkündet? Man könnte auch der Ansicht sein, daß es "vor dem Hintergrund des Umbruchs in der arabischen Welt" und dem wahrscheinlichen Ergebnis der Radikalisierung der arabischen Staaten positiv ist, wenn nicht auch noch zu koordinierende Verhandlungen zwischen Arabern und Israel hinzukommen.

Auffällig an der Diktion des Klaus-Dieter Frankenberger ist die Sympathie für den US-Präsidenten, die aus jedem seiner Sätze spricht. Israel konfrontiert ihn mit Zumutungen, und das im Wahlkampf. Der aufmüpfige Ministerpräsident wagt es, Barack Obama zu nerven, dabei hat der "Bekanntes und auch das Notwendige gesagt". Was das ist, bestimmt der FAZ-Journalist statt des US-Präsidenten. Barack Obama habe gemeint, es werde "zu viel von Krieg geschwätzt". Dieser typisch hessische Begriff "schwätzen" schafft es also bis ins Weiße Haus? Anstatt zu berichten, spielt Klaus-Dieter Frankenberger den Barack Obama und phantasiert seine als dessen Bedenken: "Man fragt sich, welchen Zweck Israel mit seinen alarmistischen Äußerungen und Drohungen eigentlich verfolgt". Nein, nicht "man", sondern der Journalist fragt es sich, er bestimmt, ob die "rote Linie" überschritten ist, daß Verhandlungen noch möglich sind. Er weist Israel die Schuld zu, daß nicht verhandelt wird, und behauptet, daß Israel die Zeit "nutzt, um aufzurüsten und die Sache auf die Spitze zu treiben". Auf welche Spitze? Auf die, daß der Staat und seine Bevölkerung überleben, wenn's losgeht?

Welch ein Frevel des Benjamin Netanyahu, die Existenz Israels sichern zu wollen. Angela Merkel, in der Knesset, ist wenigstens in Klammern gesetzt, nicht daß Klaus-Dieter Frankenberger da auch noch befürchten muß, Deutschland setzte sich ernsthaft für Israels Überleben ein. Die Amerikaner sind zu zwei Dritteln für ein militärisches Eingreifen im Iran? Das ist der jüdischen Lobby geschuldet, die ist mit "Kriegsgeschrei und Wahlkampfhitze" außer Rand&Band. "Verbreitung von Massenvernichtungswaffen im Mittleren Osten" kommt nicht in Frage, der FAZ-Journalist ist sich da sicher. Er glaubt Barack Obama. "Israels Nervosität" müßte beruhigt sein, aber nichts dergleichen!

Warum? Hier einige Erklärungsvorschläge:

Seit der vom American Israel Public Affairs Committee (AIPAC), am 4. Juni 2008, jubelnd aufgenommenen Versicherung des US-Präsidentschaftskandidaten, er hatte am Vortag eben Hillary Clinton ausgebootet, Jerusalem gehöre immer ungeteilt zu Israel, auf YouTube zu sehen und zu hören bis heute (18:56), und auf Grund von Kritik palästinensischer Araber der Rücknahme eben dieser Versicherung am folgenden Tag, seit seinem Interview mit dem Sender al-Arabiya, vom 26. Januar 2009, dem ersten überhaupt, das er als neu eingesetzter Präsident gibt, seit seinem Kratzbuckeln vor dem saudischen König, am 2. April 2009, spätestens aber seit seiner Kairoer Rede, vom 4. Juni 2009, auf den Tag ein Jahr nach seinem AIPAC-Auftritt, kennt man die Position des Barack Obama. Ein israelischer Präsident, der mit einem solchen "ein Herz und eine Seele" wäre, handelte verantwortungslos. Das kann Klaus-Dieter Frankenberger nicht begreifen; denn er sitzt in seinem Redaktionsstuhl, der nicht von einer Atombombe des Iran gefährdet ist. Solches Personal nennt man in Frankreich ronds-de-cuir, zu deutsch Sesselpuper.

Acht kluge Köpfe wissen Bescheid

Soweit zum klugen Kopf, der den anderen klugen Köpfen hinter dem Blatt seine Meinung als Nachricht verkauft. Wie könnte es anders sein, treiben die es noch 'n Zahn schärfer. Acht kluge Köpfe kommentieren, und zwei kluge Köpfe antworten ihnen. Der erste Rettigkopf ist schon um 8:08 Uhr am PC. Für ihn tritt wieder der Fall Irak ein, da sollten auch Massenvernichtungswaffen gewesen sein, und nichts war. Zwar weiß man bis heute nicht, ob sie vor Eintreffen der Truppen außer Landes gebracht wurden, aber für den klugen Kopf ist klar: raushalten; denn unsere Interessen sind das nicht, wenn hinten, weit, in der Türkei, die Völker aufeinanderschlagen. Der Goethesche Bürger wäre heute FAZ-Leser: "Die Abstinenz beim Krieg gegen den Irak war richtig, und im Fall Syrien Iran ist sie es auch." (18 Empfehlungen anderer kluger KöpfInnen)

Es folgt eine kluge Köpfin, die von nichtbeißenden bellenden Hunden erzählt, die von einem ängstlichen Herrchen abhängig sind. Sie verleiht ihrem Glauben Audruck und kann deshalb das Paradox ausdrücken: "Ich glaube an die menschliche Vernunft." Ja, wie denn nun? Im Falle einer Bombardierung des Iran bombe sich "die Konzernelite in den USA selbst in die Steinzeit" zurück. Sind der Iran und Israel jetzt die USA? Es folgen ähnlich abstruse Sätze, auch kehren Indianer auf die Insel zurück. (4 Empfehlungen)

Die nächste Klugköpfin weiß, daß die Amerikaner tollkühn sind, kann auch sein, aufgehetzt durch die Israel-Lobby, oder wieso sind knapp zwei Drittel für ein Eingreifen im Iran? Das Verdikt gegen Israel folgt umgehend: "Fakt ist: Israel hat in der Vergangenheit kein Interesse an Friedensbildung in Nahost gehabt." Kluge Köpfe reden immer ex cathedra, es bedarf keiner Begründung, historische Tatsachen sind unbedeutend. Was Deutschland angeht: "Und jetzt haben wir den Salat..." Wer hat welchen Salat, die kluge Köpfin? Die FAZ? Frankfurt? Deutschland? (16 Empfehlungen)

"Warum eigentlich ist das Bestehen Israels Staatsräson der USA?" stellt Klugkopf Ulrich Mayer die rhetorische Frage und beantwortet sie mit drei Pünktchen. (12 Empfehlungen)

Wenn man jetzt meint, potentielle Kommentatoren gingen in sich und sähen ein, daß sie diese Höhen der Klugheit niemals werden erreichen können, kommt ein kluger Kopf und hält das, was man bei Vorträgen ein nicht erbetenes Zusatzreferat nennt. Solches liefern oft Menschen, die sich nicht anerkannt sehen im wirklich wahren Leben, die selbständig nirgends Gehör finden mit ihren Ratschlägen und jetzt die Chance nutzen, sich als Dialogpartner einer Autorität zu profilieren. Er bringt Argumente, die Klaus-Dieter Frankenbergers Artikel aufs trefflichste ergänzen.

Tom Lingart nennt sich der kluge Kopf, der "eine ganz simple Frage" stellt und selbstverständlich die Antwort bereit hält: "Glaubt jemand im Ernst, dass der Iran billigend in Kauf nähme, dass abertausende seiner Glaubensbrüder bei einem nuklearen Angriff auf Israel ums Leben kämen?"

Es sprudeln Weisheiten, daß Irans Atomprogramm nicht zur Vernichtung Israels geschaffen werde, sondern dazu, sich gegen Pakistan und Saudi-Arabien, also gegen sunnitische Konkurrenten, "wehren zu können". Bedenkenswert, aber warum Israel dabei aus dem Spiel ist, erklärt er nicht. Werden die Bomben an dem kleinen Staat vorbeiregnen? Es folgt eine typisch westliche Einschätzung, wie die Mollahs ticken: "Ganz davon abgesehen dürfte auch dem letzten Mullah klar sein, dass bei einem atomaren Schlag gegen Israel die Antwort seitens der USA nicht eben zimperlich ausfallen dürfte, und der Iran für die nächsten 50 Jahre nicht mal mehr als Steinbruch zu benutzen sein würde." Da er seine Interpretation als die selbstverständlich einzig gültige ansieht, folgt daraus auch sein Wissen, was den israelischen Ministerpräsidenten antreibt, und er schickt an den US-Präsidenten seine Warnung über den Großen Teich, und ins Bundeskanzleramt schickt er sie gleich mit: "Netanjahu hat vor allem innenpolitische Gründe für sein Säbelrasseln. Obama sollte sich davon nicht anstecken lassen. Und wir auch nicht." (18 Empfehlungen)

Dieser Kommentar bleibt nicht unwidersprochen, und ein kluger Kopf, der es anscheinend nicht böse meint mit Israel, vielleicht sogar gut, bittet zu erwägen, daß die Juden "eine andere Wahrnehmung" haben könnten.

"Das hängt natürlich mit der Shoa zusammen. Die jahrelangen Drohungen Irans muß man beim Nennwert nehmen. Aber es gibt 'Spielverderber': Rußland und die VR China. Vielleicht legen beide es auf einen israelischen Militäreinsatz an, um sich dann mit weißer Weste als Weltfriedensmächte gerieren zu können. Denn bislang kann Iran mit Hilfe beider Staaten schalten und walten wie er will."

Erstmalig werden Argumente gebracht, die dem FAZ-Journalisten nicht im Traume einfallen würden, und der ist verantwortlicher Redakteur für Außenpolitik! Die ersten brauchbaren Erwägungen findet man in der FAZ in einer Antwort auf einen Kommentar zu einem Meinungsartikel ohne jeden Nachrichtenwert.

Die letzte kluge Köpfin geht um 11:46 Uhr ins Rennen, kurz bevor sie sich in der Kantine zum Mittagessen in die Schlange einreiht. Einfluß der Juden und Israels auf die Politik der USA, möglichst weitgehende Einschränkung der "Handlungsmöglichkeiten des Präsidenten", Frieden mit den Palästinensern nach Diktat Israels, Bombardierung von Anlagen im Iran, "Sabotage und Mord", ist der Iran nicht eben darum genötigt, die Atombombe zu bauen, um sich vor Israel zu schützen, gefolgt vom einzig zutreffenden Satz: "Und: bisher war Obama nicht in der Lage, sich gg. Netanjahu durchzusetzen." (4 Empfehlungen)

Darauf setzt's vom klügsten der klugen Köpfe eine Antwort, die alle anti-israelischen Argumente, die eine Mehrheit der Deutschen gewiß annehmen kann, kurz und knapp zusammenfaßt. Barack Obama ist dem israelischen Ministerpräsidenten hilflos ausgeliefert. Benjamin Netanyahu holt viel heraus, sein "Kriegstrommeln" bringt "politischen, finanziellen und militärischen Ertrag":

"Noch mehr Waffen umsonst aus den USA und Europa, noch mehr Einfluss der Israel-Lobby in den USA, niemand redet mehr vom Landraub und den Hauszerstörungen im Westjordanland, und er treibt den Präsidenten der USA vor sich her!" (von noch niemandem empfohlen)

Antwort auf "eine ganz simple Frage"

Hätte der kluge Kopf Tom Lingart sich ein wenig im Internet umgesehen, anstatt seine vorgefertigten Antworten zu präsentieren, wäre er fündig geworden zur Frage: "Glaubt jemand im Ernst, dass der Iran billigend in Kauf nähme, dass abertausende seiner Glaubensbrüder bei einem nuklearen Angriff auf Israel ums Leben kämen?" Die Antwort sei wörtlich zitiert, sie kommt vom ehemaligen Präsidenten des Iran (1989 bis 1997) und seinerzeitigen Vorsitzenden des Expertenrates, vom Ayatollah Akbar Hashemi Rafsanjani, der von westlichen Politikern und Medien als ein Politiker der Mitte und pragmatischer Konservativer eingeschätzt wird. In einer Freitagspredigt, vom 14. Dezember 2000, verkündet er:

“The Jews [who immigrated to Israel] should expect a ‘reverse exodus', because one day, the tumor will be removed from the body of the Islamic World, and then millions of Jews who moved there will become homeless again. And when will that be? We shall have to discuss it another time”… “If one day, a very important day, of course, the Islamic World will also be equipped with the weapons available to Israel now, the imperialist strategy will reach an impasse, because the employment of even one atomic bomb inside Israel will wipe it off the face of the earth, but [such a bomb] would only do damage to the Islamic World. It is not unreasonable to consider this possibility… the people who have no choice but to sacrifice themselves will not be intimidated by the [Israeli] violence. After all, they have nothing to lose. How can a man lose something when he believes that by blowing himself up, one moment he is in the material world and in another moment he is in a divine heaven, borne by the wings of God's angels. And when he comes there, he shall sit by the Prophet and God's offspring, in a welcoming ceremony honoring the Shahids.”

"Die Juden [die nach Israel eingewandert sind] sollten einem 'umgekehrten Exodus' entgegensehen, weil das Krebsgeschwür eines Tages vom Körper der islamischen Welt entfernt werden wird, und dann werden Millionen Juden, die sich dorthin begeben haben, wieder heimatlos werden. Und wann wird das sein? Das müssen wir ein andermal diskutieren" ... "Wenn eines Tages, eines sehr wichtigen Tages, die islamische Welt selbstverständlich mit den Waffen bestückt sein wird, die Israel heute zur Verfügung stehen, wird die imperialistische Strategie in eine Sackgasse kommen, weil der Einsatz von nur einer Atombombe in Israel es von der Erdoberfläche wischen wird, aber [solch eine Bombe] würde der islamischen Welt nur Schaden zufügen. Es ist nicht unvernünftig, diese Möglichkeit zu erwägen ... die Völker, die keine Wahl haben, als sich selbst zu opfern, werden durch die [israelische] Gewalt nicht eingeschüchtert werden. Letztlich haben sie nichts zu verlieren. Wie kann jemand etwas verlieren, wenn er glaubt, daß er in dem Augenblick, in dem er sich in die Luft sprengt, in der materiellen Welt ist, und im nächsten Augenblick ist er im göttlichen Himmel, geborgen von den Flügeln der Engel Gottes. Und wenn er dorthin kommt, soll er in einer die Märtyrer ehrenden Willkommenszeremonie neben dem Propheten und den Nachkommen Gottes sitzen."

Diesen Schaden, den die islamische Welt davontragen würde, hält der Ayatollah nicht für ein Hindernis. Er will seine Glaubensgenossen opfern. Sie hätten keine Wahl, als sich selbst zu opfern, sie hätten nichts zu verlieren, verdreht er die Tatsachen; denn wenn die iranische Regierung durch den Abwurf einer Atombombe auf Israel, um es auszulöschen, einen atomaren Vergeltungsschlag riskiert und Tausende von Menschen opfert, so ist diese Regierung die Täterin und nicht die ermordeten Menschen, Israelis, Iraner und Araber. Im Artikel Der Iran bedroht den Weltfrieden, vom 30.Oktober 2005, kann man mehr dazu lesen.