29. Juli 2023

Der Putsch in Niger ist eine Katastrophe für Frankreich

"Niger: Ein 'illegitimer und zutiefst gefährlicher' Staatsstreich.
Emmanuel Macron ruft zur Befreiung des Präsidenten Mohamed Barzoum auf"
Niger : un coup d'Etat "parfaitement illégitime et profondément dangereux", 
Emmanuel Macron appelle à la libération du président Mohamed Bazoum. 

Meine Dorfzeitung weiß: Der Rufer befindet sich nicht in der Wüste, als er ruft, sondern auf Staatsbesuch in Port Moresby, Papua-Neuguinea. 

Update, vom 30. Juli 2023
France Out of Africa! "Wir wollen Rußland!"

Aber die EU droht schon mit Sanktionen, und Josep Borrell spielt sich auf und rasselt mit dem Degen. Die Bürger der EU leiden noch nicht genug unter den Sanktionen gegen Rußland. Auch Antony Blinken gibt seinen Senf dazu und bietet in einem Telefongespräch mit dem festgesetzten Mohamed Barzoum "unerschütterliche Unterstützung" der USA an. 

Sollen die USA und die NATO in Niger einfallen, oder bekommt Mohamed Barzoum eine Green Card, damit er in den USA legal arbeiten kann?

Nicht mehr Jupiter, sondern Heilige Dreifaltigkeit (siehe drei Stirnfalten)!
"Staatsstreich im Niger: Macron leitet eine Verteidigungs- und Sicherheitsberatung"
Coup d’État au Niger : Macron préside un Conseil de défense et de sécurité

Derweil beruft Emmanuel Macron, eben von seiner Indo-Pazifikreise zurück, den Verteidigungsrat ein, in dem er "mit allergrößter Festigkeit" den für die Region "gefährlichen" Putsch verurteilt.

Jetzt fliegt Frankreich samt seinen 1 500 Militärs und einem Militärflughafen auch noch aus Niger raus, wo der Chef der Präsidentengarde, seit 12 Jahren, Abdourahamane Tchiani, die FAZ nennt ihn schlicht Omar, den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum abgesetzt hat, der seinerseits den Omar Abdourahamane Tchiani kaltstellen wollte, der meint, Niger müsse enger mit Mali und Burkina Faso zusammenarbeiten, mit den zwei Staaten, aus denen Frankreich eben entlassen worden ist.

Die drei Staaten sind das Epizentrum der islamischen Dschihadisten, die kaum bis keine Erwähnung finden bei der Beantwortung der Frage, warum jetzt der Putsch in Niger stattfindet, nämlich, weil das Militär Nigers für die Souveränität des Landes eintritt, wozu auch gehört, selbst zu entscheiden, wie und mit wem die al-Qaida-Gruppen im Land bekämpft werden.
 
Die Erwähnung des Islams ist in Frankreich generell tabu, der ist kein Thema, sondern "Islamismus", "Separatismus" und neuerdings auch "Schwierigkeiten", difficultés, wenn Emmanuel Macron um die Konsequenzen der unkontrollierten Einwanderung von Muslimen herumredet. 

Jewgeni Prigoschin kommentiert den Putsch: "Das ist der Kampf des Volkes von Niger gegen seine Kolonisatoren." Emmanuel Macron will daran arbeiten, die demokratische Ordnung wieder herzustellen. Die bringt in Gestalt eines mit Frankreich kooperierenden Präsidenten einfach mehr Gewinn für die französischen Konzerne wie die Société Orano, ex-Areva, die die Uranminen ausbeutet, die aber laut meiner Dorfzeitung L'Indépendant nicht so wichtig sind, sie machten nur 10% des Uranbedarfs für Frankreichs Atomindustrie aus. Niger fördere überhaupt nur 4% des weltweit geförderten Uranerzes. Kasachstan und Usbekistan förderten ebenfalls Uranerz, lägen aber eher im Einzugsbereich Rußlands. Auch Kanada und Australien würden den Bedarf Frankreichs nicht decken können - und wollen, sollte ergänzt werden.

Länder weltweit mit den größten Uranreserven im Jahr 2020 (in 1.000 Tonnen)

Niger liegt auf Platz 14 der Liste, die von Kasachstan, Kanada, Südafrika und Brasilien angeführt wird. Es folgen China, Ukraine [!], Tansania und die Mongolei, Rußland Platz 10, die USA Platz 12.

Anhänger des Putsches, am Parlamentsgebäude. Flaggen von Niger und Rußland 
"Putsch in Niamey:
Das Modell der französisch-nigrischen militärischen Partnerschaft in Frage gestellt"
Putsch à Niamey: le modèle du partenariat militaire franco-nigérien remis en question

Der Putsch beendet diese Partnerschaft; er ist "eine Katastrophe für Frankreich", kommentiert klarsichtig ein Kenner der Operationen Frankreichs in der Sahelzone.

France says ready to back Niger sanctions over 'dangerous' coup
By John Irish, Reuters, 28 July 2023

Die Franzosen lernen durch den Putsch in Niger auch ihre Außenministerin Catherine Colonna kennen. Die Außenpolitik pflegt Emmanuel Macron gewöhnlich mit zu erledigen, wie auch die Nachricht von Reuters beweist. Da kommt sie mit einer kurzen Bemerkung vor, den Rest liefert Emmanuel Macron. Catherine Colonna durfte aber wie Gérald Darmanin (Innen), Sébastien Lecornu (Armeen) und Philippe Vigier (Überseegebiete)  mit auf die Pazifikreise des Staatspräsidenten, um ihn angemessen zu umrahmen.  Das Ministerium für Europa und Auswärtige Angelegenheiten gibt ein Kommuniqué heraus, in dem es in dürftigen Zeilen die "internationale Staatengemeinschaft" bemüht und erklärt, daß Frankreich die neuen Autoritäten nicht anerkennte. Mohamed Barzoum sei der einzige demokratisch gewählte Präsident, die verfassungsmäßige Ordnung sei wieder herzustellen:


President Mohamed Bazoum, democratically elected by the people of Niger, is the only President of the Republic of Niger. France does not recognize the authorities that emerged from the military coup led by General Tchiani.

We reiterate in the strongest terms the international community’s clear demands calling for the immediate restoration of constitutional order and the democratically elected civilian government in Niger.

Update, vom 30. Juli 2023

Staatsstreich in Niger: Frankreich wird 'auf umgehende und unnachgiebige Art' erwidern,
falls seine Staatsangehörigen angegriffen werden."
Coup d’État au Niger : la France répliquera «de manière immédiate et intraitable» 
en cas d'attaque contre ses ressortissants. Par Le Figaro avec AFP, 30 juillet 2023

Außer dem französischen Militär sind zur Zeit 500 bis 600 französische Staatsbürger in Niger.

"Der Präsident der Republik 'wird keinen  Angriff gegen Frankreich und seine Interessen dulden', hat der Élysée-Palast nach den Demonstrationen vor der Botschaft Frankreichs, in Niamey, reagiert." Mit dem Ruf "Wir wollen Rußland" demonstrierten dort, Flaggen Nigers und Rußlands schwenkend, am Sonntagmorgen, Tausende, die mit Tränengas auseinandergetrieben wurden.

Frankreich werde "alle regionalen Initiativen" unterstützen, um die Ordnung wiederherzustellen und Mohamed Bazoum wieder in sein Amt einzusetzen.

Wer nur bringt es dem Staatspräsidenten schonend bei, daß der Angriff auf Frankreich und seine und seiner Konzerne Interessen bereits mit dem Putsch erfolgt ist?

"'Wir sind hier, um unser Mißfallen auszudrücken über die Einmischung Frankreichs in die Angelegenheiten von Niger. Niger ist ein unabhängiges und souveränes Land, also dürfen die Entscheidungen Frankreichs keine Auswirkungen auf uns haben,' hat Sani Idrissa erklärt, der Teilnehmer des Demonstrationszuges war." Was von Reuters/L'Indépendant nicht berichtet wird: Sani Idrissa ist ehrenamtlich tätig beim Roten Kreuz von Niger..

Am heutigen Sonntag versammeln sich in Nigerias Hauptstadt Abuja zu einem "außerordentlichen Gipfeltreffen" zur Evaluierung der Lage nach dem Staatsstreich und der möglichen Verhängung von Sanktionen die Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, Communauté économique des États de l'Afrique de l'Ouest ( CEDEAO), Economic Community of West African States (ECOWAS),
worin die Junta die Drohung einer "unmittelbar bevorstehenden militärischen Intervention" sieht.

West African leaders threaten sanctions, force against Niger coup leaders. Reuters, July 30, 2023

Die USA, UNO, Afrikanische Union, EU und Frankreich verurteilen den Putsch. Burkina Faso, Mali, Guinea und der Sudan sind von der Afrikanischen Union suspendiert. Niger wird folgen.

Speaking ahead of the ECOWAS crisis summit, the junta said: "The aim of this meeting is to approve a plan of aggression against Niger, in the form of an imminent military intervention in Niamey, in cooperation with African countries who are not members of the regional body and certain Western nations."

Die ECOWAS suspendiert alle Handels-, Finanz- und Energietransaktionen zwischen den ECOWAS-Mitgliedsstaaten und seinem Mitglied Niger, friert dessen Vermögen in Zentral- und Handelsbanken ein, verfügt ein Reiseverbot für diejenigen Offiziere, die am Putsch beteiligt sind, sowie weiteres.

Nach Mali und Burkina Faso ist Niger das dritte Land, seit 2020, das sich durch einen Staatsstreich des Militärs seiner mit Frankreich verbündeten Regierung entledigt.

Die bislang 292 Kommentare zur Äußerung des Staatspräsidenten sind zum Teil ätzend:

Michel Trophimovitch, le 30/07/2023 16:42
"Unser kleiner Duodezfürst gestikuliert, was kann er anderes tun?
Er hat unsere Diplomatie zerstört, unsere Schulden explodieren lassen und das Chaos in unsere Gesellschaft gebracht!!!!!!!!!!!!!!
Von der Mehrheit der Staaten der Welt wird er verlacht!
Er ist unsere SCHANDE!"

AlexandreleGrand, le 30/07/2023 à 17:15
"Und währenddessen segelt Macron mit seinen Schwarzen von Insel zu Insel, und [Élisabeth] Borne und ihre Regierung verlustieren sich in den Gärten des Élysée[-Palastes] mit Fußball und Wodka."

Reichlich Kommentatoren fragen, wann man diejenigen Afrikaner ohne französische Staatsbürgerschaft endlich in ihre Länder abschiebt. Der doppeldeutige Kommentar Out of Africa, von Gratelle, le 30/07/2023 17:10, zeigt wie viele, in welcher Gemütslage sich die Leser befinden. Es ist für sie nur noch ein einziges Possenspiel, wie die Politik des Emmanuel Macron insgesamt.

Affaire à suivre ...