8. Dezember 2025

Syrien im Umbruch


Wie der ehemalige Dschihadist Ahmed al-Sharaa 
innerhalb eines Jahres seine autokratische Macht in Syrien etablierte.
Comment en un an, l’ancien djihadiste Ahmed al-Charaa 
a imposé son pouvoir autocratique sur la Syrie
Par Georges Malbrunot, envoyé spécial à Beyrouth et Amman, Le Figaro, 7 décembre 2025

Je le dis tout de suite : c'est le meilleur article sur le sujet que j'aie jamais lu.
Ich sag's gleich: Das ist zum Thema der beste Artikel, den ich je gelesen habe.
 
Wer Französisch liest, der möge den Artikel lesen, er ist heute, zum Jahrestag des 8. Dezember 2024, des Sturzes von Bashar al-Assad, als Aufmacher sowie auf den ganzen Seiten 8 und 9 veröffentlicht. Auf dem Foto der ehemalige Dschihadist mit Schlips. Jeden Tag wechsle er die, außerdem esse er auch mit der linken Hand, die dem Unreinen dient - ich sage nur: Hintern abputzen! Daran denke ich Linkshänderin einmal auf Dienstreise in Rabat bei einem offiziellen Essen nicht. Nein, wie ich gleich von einem deutschen Consultant zurechtgewiesen werde! Ein französischer Geschäftsmann, der drei Stunden mit Ahmed al-Sharaa spricht, wundert sich, daß zum Beten keine Pause gemacht wird. Das ist er sonst nämlich gewohnt bei seinen gläubigen Gesprächspartnern.

Das ist tatsächlich ein Zeichen; denn Krawatten werden mit Kreuzknoten gebunden. Wer mir ein Foto zeigt von einem Hamas-Funktionär, lebend oder inzwischen tot, mit einer Krawatte, kriegt von mir 'n Euro. Ersatzweise täte es auch Tariq Ramadan, für 50 Centimes. Manchmal wüßte ich aber gern, wie die vierlöchrigen Knöpfe am Hemd angenäht sind, parallel, oder tragen die Herren nur Hemden mit zweilöchrigen Knöpfen? Das Leben des Muslims ist schwer!

Ahmed al-Sharaa, geboren 1982 in Saudi-Arabien, wo sein Vater Hussein, dessen Familie von den Golanhöhen stammt, als Volkswirt in der Erdölindustrie arbeitet, nachdem die Familie bei der Besetzung durch Israel, nach dem Sechstagekrieg, von dort vertrieben wird. 1988 zieht die Familie nach Damaskus. Sohn Ahmed verläßt 2003 Syrien, geht in den Irak, schließt sich al-Qaida des Irak an und dem Islamischen Staat des Abu Bakr al-Baghdadi, wird von den Amerikanern verhaftet und im Camp Bucca, einem von den Amerikanern eingerichteten Gefängnis südlich von Baghdad, für einige Jahre eingesperrt. Dort schmiedet er Pläne zur Beseitigung des Regimes des Bashar al-Assad.

Als Glaubenskrieger Abu Mohammed al-Golani بو محمد الجولاني , "Vater Mohammed vom Golan", 2012 Mitbegründer und Chef der al-Qaida-Ableger al-Nosra und Hayat Tahrir al-Sham (HTS), der "Bewegung zur Befreiung der Levante", ziehen er und seine Kämpfern, ab 2016, von seinem Hauptquartier in Idlib aus im Sinne der USA gegen Bashar al-Assad zu Felde.

Aus dem Figaro-Artikel geht bis hin zu Kleinigkeiten direkt und indirekt hervor, daß der Dschihadist bald ein Agent d
er Amerikaner ist, er wird auch als djihadiste opportuniste bezeichnet, und daß die Absetzung von Bashar al-Assad von den Amerikanern mit den Russen abgesprochen gewesen ist. Die haben dort weiter ihre Militärbasen, syrische Mitarbeiter der Russen werden nicht verfolgt und getötet, sondern können wie Bashar al-Assad nach Rußland ausreisen. 

Im März 2025 erklärt sich Ahmed al-Sharaa zum Interimspräsidenten und regiert per Dekret. Minoritäten werden entgegen dem Rat des libanesischen maronitisch-christlichen Staatspräsidenten Joseph Aoun nicht geachtet, sondern Massaker an Alawiten und an Druzen werden verübt, Kurden finden kein Gehör, und das Land steht vor der Teilung.

Reformen des Bildungswesens gibt's nicht, aus den Schulbüchern lernen die Kinder korankonform nach Sure 1, daß Juden und Christen vom Pfad des Guten abgewichen wären. Nur den Muslimen ist Allah gnädig, der Rest kann weg.

Donald Trump, der den Dschihadisten sehr schätzt, verspricht, eine US-Militärbasis einzurichten, wenn Syrien mit Israel einen Sicherheitsvertrag schließt - und keinen Tag eher. Das Problem sind die terroristischen Kämpfer, und es fehlt die syrische Armee, die nach der Vertreibung des Staatspräsidenten ebenfalls entgegen dem Rat von Joseph Aoun aufgelöst worden ist. Vor dem im Irak gemachten Fehler warnt er vergeblich. 

In Syrien wühlen 23 militärische Formationen, jede folgt einer anderen Ideologie, und entsprechend kann man die Quellen der Finanzierung herausfinden. Ahmed al-Sharaa wirbt Soldaten aus anderen Ländern an, seit Mai 2025 sind es 3500 Kämpfer, aus Nachbarländern, aber auch reichlich Uiguren, was China gar nicht schätzt - anstatt froh zu sein, die loszuwerden, könnte man einwerfen.

Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Artikel; ich hoffe, den Inhalt nicht verzerrt zu haben. Leider zeigen fast alle 107 Kommentare der Leser, daß sie von Strategie und von Realpolitik nichts halten oder verstehen. Ich lese den Artikel wie alle Exemplare des Figaro in meiner Brasserie und mache einige Notizen. Vielleicht ist das Exemplar morgen noch da, dann darf ich ihn nämlich mitnehmen und kann verbessern und ergänzen. Nebenbei zeigt er noch eine Gemeinsamkeit auf zum Ukrainekrieg. Auch hier paßt den Westeuropäern nichts, es geht ihnen nicht demokratisch genug zu, sie werden überhaupt nicht einbezogen, die USA machen, wie's aussieht, mit Rußland gemeinsame Sache.

«Кто опаздывает, того наказывает жизнь.» "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!"
"Those who are late will be punished by life itself." « Ceux qui arrivent en retard seront punis par la vie elle-même. » (Gennadi Iwanowitsch Gerassimow, Berlin,  7. Oktober 1989 - FAZ, 6. Oktober 2004)

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