7. Februar 2012

L'Arche. Das Ende einer Zeitschrift

Im Artikel L'Arche. Die Zeitschrift als gestrandete Arche Noah habe ich die Leser eingestimmt, und nun gibt es den Rest. Die Arche Noah liegt flach wie die Costa Concordia. Aus deren Wrack kann man wenigstens noch Öl abpumpen, die kleine Arche dagegen gibt nichts mehr her.

Heute beglückt mich der Postbote mit der Vierteljahresausgabe Nr. 636, Februar bis April 2012, sie hat es noch nicht auf die Website geschafft, dort schaut vor einem mit Schriften über Israel gefüllten Bücherbord immer noch Shimon Peres sinnierend in die Gegend. Der Präsident Israels ist auf dem Titelblatt ersetzt durch den eitlen Fatzke Bernard-Henri Lévy (BHL. Photo : La règle du jeu) vor einem ebenso vollen Bücherregal, dessen Schriften aber unkenntlich sind (Photo : Patrick Kovarik, AFP/Getty Images), so wird der Betrachter nicht abgelenkt vom Philosophen in seiner ganzen Erhabenheit. Es bleibt den Lesern nichts erspart!

Der Dünnbrettbohrer Laurent David Samama, Chefredakteur und Leitartikler des ersten Heftes des Strandgutes, interviewt seinen Gönner über une vie d'engagements, ein Leben in Verpflichtungen. Seit seinem ersten Fernsehauftritt bei Bernard Pivot, 1977, rastet und ruht er nicht, schreibt, deklamiert, protestiert. Er philosophiere, wie andere Krieg führen, erklärt BHL stirnrunzelnd und gezückten Caran d'Aches Léman, ein ganzseitiges Foto (Seite 12) bringt ihn uns nahe, gefolgt von einem Schwarzweißfoto als Redner vor einer aufgereihten Gruppe offizieller Juden, Rabbi, rechts, links Simone Veil, im kleinen Coco Chanel. So beginnt seine Karriere als Schicki Micki, Bobo, sagt man dazu in Frankreich. (Seite 14), und um die Adoration zu vervollständigen, gibt's ihn noch als trotzig dreinblickenden Dreitagebartträger in schwarz. (Seite 16)

Dafür habe ich mein Abonnement bezahlt!

Sein Engagement, seine Verpflichtung zum Bombardement von Libyen, zur Islamisierung des Landes im Sinne des wahhabitischen Scheichs von Katar Emir Hamad bin Khalifa Al Thani, genannt Rettung von Leben aus den Klauen des Diktators Muammar al-Gaddafi, erklärt er aus einer in seinen Tiefen liegenden jüdischen Ethik, die ihn steuere. Selbstverständlich ist er dagegen, daß der Diktator gelyncht wird: Bien sûr que non. Allein die Frage: Fallait-il lyncher Kadhafi ? Mußte man Gaddafi lynchen? zeigt die Tiefe der jüdischen Ethik, die hier waltet, sowie die abgrundtiefe Unkenntnis des Islam, der arabischen Welt, der Interessen Katars, das sich Frankreichs bedient und nicht etwa umgekehrt, wie Nicoals Sarkozy das vielleicht glauben möchte. Die von Katar finanzierten Operationen zum Sturz des alawitischen Herrschers Bashar al-Assad lassen keinen Zweifel daran, wem BHL die Steigbügel hält: den radikalsten sunnitischen Muslimen.

Über die Einführung der Scharia in Libyen gefragt: Et l'instauration de la charia ? antwortet er: "Es hat keine 'Einführung' der Scharia in Libyen gegeben. Es gab eine Rede eines Übergangspräsidenten, der dabei war abzutreten, der sagte, daß er zu gegebener Zeit wünschte, daß Libyen sich Gesetze gäbe, die im Einklang wären mit der Scharia. Das ist ganz und gar nicht dasselbe."

Man muß es sich vorstellen! Dieser Philosoph weiß nicht, daß die Scharia in Libyen schon unter Muammar al-Gaddafi geltendes Recht ist, daß sich nichts ändern muß, sondern daß es nur noch darum geht, sie konsequent anzuwenden. Nicht umsonst veröffentlicht Muammar al-Gaddafi Das Grüne Buch, islamgrün nämlich. Auch die Nationalflagge ist unter seiner Herrschaft islamgrün.

Im Grünen Buch, herausgegeben ab 1975, steht im Kapitel "Das Gesetz der Gesellschaft", Seite 106f.:

"Es ist unzulässig und undemokratisch, wenn ein Komitee oder ein Parlament das Recht hat, das Gesetz für die Gesellschaft aufzustellen. Es ist auch unzulässig und undemokratisch, wenn ein Individuum, ein Komitee oder ein Parlament das Gesetz der Gesellschaft ergänzt oder außer Kraft setzt.

Was ist dann also das Gesetz der Gesellschaft?

Das natürliche Gesetz einer jeden Gesellschaft ist entweder die Tradition (Sitten und Gebräuche) oder die Religion. Jeder andere Versuch, für irgendeine Gesellschaft ein Gesetz zu formulieren, außerhalb dieser beiden Quellen, ist unzulässig und unlogisch. Verfassungen sind nicht das Gesetz der Gesellschaft. Eine Verfassung ist ein grundlegendes, vom Menschen gemachtes Gesetz. ...

Die Freiheit ist bedroht, wenn die Gesellschaft kein heiliges Gesetz hat, das auf stabilen Regeln beruht, die nicht in Gefahr sind durch irgendein Instrument des Regierens geändert oder ersetzt zu werden. ...

Die Religion nimmt die Tradition in sich auf, die ein Ausdruck des natürlichen Lebens der Völker ist. Deshalb ist die Religion, in dem sie die Tradition in sich aufnimmt, eine Bekräftigung des Naturgesetzes. Nicht-religiöse, nicht-traditionelle Gesetze werden von dem einen Menschen erfunden, um sie gegen den anderen Menschen zu verwenden. Deshalb sind sie unzulässig, weil sie nicht auf der natürlichen Quelle von Tradition und Religion errichtet sind. ..."

Das ist der Anspruch eines modernen Muslims, grundsätzlich nach Koran und Scharia zu regieren, ohne daß beide genannt werden, auch wenn er sich für die Gleichberechtigung von Mann und Frau stark macht, seine eigenen Ansichten über Minderheiten, Schwarze, Erziehung einbringt und damit sehr zum Leidwesen radikaler Muslime Koransuren außer Kraft setzt. (Seiten 131ff.)

Was Minderheiten "mit eigenen gesellschaftlichen Rechten" angeht (Seite 138), so können die Juden in Libyen sehr islamisch nicht gemeint sein, ihnen wird eine der beiden Behandlungen von Dhimmis zuteil. Neben der Erpressung von Schutzgeld, genannt Jizya, ist die andere die Enteignung der Juden, oft gepaart mit Ermordung: "Als Oberst Gaddafi 1969 an die Macht kam, wurden alles jüdische Eigentum eingezogen und alle Schulden bei Juden gestrichen. Auch wenn Emigration gesetzwidrig war, haben mehr als 3000 Juden geschafft, nach Israel auszuwandern. 1974 gab es noch 20 Juden, und man glaubt, daß die Anwesenheit von Juden inzwischen erloschen ist," schreibt Jacqueline Shields, in der Jewish Virtual Library. Muammar al-Gaddafi wählt also auch da einen "moderaten" islamischen Weg, würden die Medien heute berichten, wenn es um Islam im "arabischen Frühling" ginge. Dr. Heiner Lohmann, verlinkt bei Wiki, kann getrost behaupten, das Grüne Buch wäre nicht im geringsten islamischen Inhalts. Er meint ja auch, der Islam wäre eine "Jenseits-Religion".

Handelt es sich im Dritten Reich um Nationalsozialismus, in den sozialistischen Staaten seligen Angedenkens um Internationalsozialismus, so im Grünen Buch um Islamsozialismus, Hoffnung auf oder Angst vorm Jenseits eingeschlossen. Der Sozialismus ist mit einigen unwesentlichen Änderungen sehr wohl auf der Grundlage von Koran und Scharia einzurichten, man bedarf dann allerdings nicht mehr des Internationalsozialismus, wie ihn die Linken im Westen pflegen. Darum werden deren Vertreter aus Ländern, die vom Islamsozialismus regiert werden, genau wie aus denen, die von anderen Formen des Islam regiert werden, zügig vertrieben oder umgebracht. Westliche Regierungen helfen dabei von Fall zu Fall.

Am 2. März 1977 läßt Muammar al-Gaddafi den "Allgemeinen Volkskongreß" in Kairo eine "Deklaration der Volkssouveräntität" verabschieden, daß am Sozialismus festgehalten werde. Die Volksherrschaft "ist der Verwirklichung einer umfassenden arabischen Einheit verpflichtet sowie dem Festhalten an spirituellen Werten als einer Garantie für das moralisch ethisch richtige Verhalten ... verkündet damit allen Völkern der Welt die Geburt eines neuen Zeitalters für die Massen.

1. Der offizielle Name Libyens soll Sozialistische Libysch-Arabische Volks-DSCHAMAHIRIJA sein.
2. Der Heilige KORAN ist die Grundlage des Rechts der Gesellschaft in der Sozialistischen Libysch-Arabischen Volks-DSCHAMAHIRIJA.
3. ..." (Seiten 145f.)

Man kann nicht davon ausgehen, daß BHL weiß, wovon er spricht, daß er le livre vert gelesen hat. Es ist so wie mit Emmanuel Kant, nichts wissen, aber philosophische Abhandlungen darüber schreiben, das ist angesagt in der linken Szene der Intellektuellen Frankreichs. BHL ist darin unerreichter Meister.

Sein Interviewpartner Laurent David Samama fährt im Interview fort, und im Grunde sollte man das Heft jetzt zuklappen, bei diesen Kenntnissen über die Scharia in Libyen ist nichts zu erwarten.

Er fragt: "Dennoch. Diese Rede [auf der Generalversammlung des CRIF, 20. November 2011] wurde gehalten, und einige haben Sie eingeschätzt als 'Naiven, der dazu beigetragen hat ein Übel zu bekämpfen, Gaddafi, um ein anderes einzurichten, den Islamismus. Was antworten Sie darauf? - Ich antworte, Gaddafi zu ersetzen durch den Islamismus, das wäre tatsächlich eine Katastrophe. Aber soweit sind wir noch nicht. Zunächst, weil das libysche Volk erwacht ist, daß es die Freiheit geschmeckt hat, und daß es sich nicht so leicht in Gleichschritt zurückbringen lassen wird. Dann, weil der Islamismus sich aus der Idee eines unerklärlichen Hasses nährt, eines Zusammenpralls der westlichen und arabischen Zivilisationen. Aber das ist gerade die Idee, die der Krieg vernichtend zu besiegen begonnen hat. - Wie das? - Indem ein umgekehrtes Schauspiel geboten wird. Das eines Westens, der einem gequälten arabischen Volk zu Hilfe kommt. ..."

Und dann erzählt er dem Interviewpartner Märchen von den dankbaren Libyern, die französische und britische Flugzeuge gesehen hätten, "und, in meinem Fall, einen französischen jüdischen Intellektuellen, einen bedingungslosen Freund Israels, der zu ihrer Rettung kam und ihnen half, sich von einer schrecklichen Tyrannei zu befreien. Das ändert alles. Das ändert ihren Blick auf die Dinge und ihre Auffassung von der Welt. Das bringt ihren Radarschirm außer Kontrolle, ihre Automatismen des Denkens, die Klischees von denen sie sich genährt haben. Das ist mein Gefühl. Ja, wenn Sie das vorziehen, meine Wette. Und wenn ich mich geirrt habe? Gut, zumindest habe ich es versucht. Ich habe es versucht ohne Gewißheit. Und sogar ohne Illusionen. Und jedenfalls ohne Naivität. Aber ich habe es getan. So muß sich ein Mann guten Willens verhalten. Das heißt, einer, der sich das schlimmste vorstellt, sicherlich, aber der sich weigert, sich darein zu fügen."

Wer außer ihm selbst hätte es gedacht, daß Bernard-Henri Lévy der Mittelpunkt der libyschen Revolution ist, dieser Mann, völlig ungetrübt vom Wissen, was der Islam ist, welche Position Juden und Christen vom Islam eingeräumt wird, und wie Muslime ticken.

"Die Ereignisse haben die Libyer wenigstens eine Sache gelehrt. Israel und die Juden sind nicht ihre einzigen und nicht einmal ihre Hauptfeinde. Vielleicht sind sie es überhaupt nicht." Dieser Satz schafft es, in fetten Lettern auf der Seite 15 der Arche zu prangen, so daß jeder Leser auf einen Blick begreift, daß hier die absolute Inkompetenz am Werke ist. So geht denn auch das Interview immer weiter, zwei taube Nüsse scheppern aneinander, und ihr Lärm verhallt im Gelächter der Muslime Libyens, Syriens ("Assad macht's nicht mehr lange."), der palästinensischen Araber ("Beide Seiten müssen Anstrengungen unternehmen.") Über die Politik Israels weiß er ebenso wenig wie über den Islam und die Muslime ("daß Israel ins Reine kommt mit diesen Prinzipien der Angemessenheit und des Friedens, die die Grundprinzipien des Zionismus sind, und die zu oft vergessen wurden.") Es folgt noch ein Bericht, wo überall er in den letzten Jahren im Nahen Osten gewesen ist außer in Israel, und eine Einschätzung über Israels zukünftige Operationen gegen den Iran. Auch für die israelische Regierung hat er Ratschläge: "Die Wahrheit ist, daß alles versucht werden muß, es nicht zu einem Krieg kommen zu lassen." Wer hätte das gewußt? Na, und "Marine Le Pen. Ebenso gefährlich wie ihr Vater war."

Ich sitze meine paar Exemplare aus, die ich noch zu bekommen habe, und das war's dann. Geh unter, schöne Arche, sie achteten nur wenig dein!