18. April 2011

Finnland. Diskreditierung politischer Entscheidungen als Populismus

Die deutschen MSM überschlagen sich in ihren Einschätzungen zum Wahlergebnis in Finnland. Google.de News bieten 1273 Ergebnisse allein für Finnland Rechtspopulisten, und es werden stündlich mehr. Von der ARD über WELT bis ZDF und ZEIT liefern die Meinungsmacher die Ware, die man von ihnen erwartet oder verlangt. Die "europaskeptische Partei", "die Partei für eine Beschränkung der Einwanderung und gegen Rettungspakete der Euro-Zone", das ist die Partei von "Finnlands Rechtspopulisten", die sich selbst als "Wahre Finnen" bezeichnet.


Der Begriff Rechtspopulismus mit seinen Ableitungen befördert keine Tatsachenberichte, sondern Meinung; er besteht aus der Zusammensetzung einer Ortsangabe, rechts, entstanden daraus, daß im Parlament die Konservativen rechts im Plenum sitzen, mit einem lateinischen Fremdwort, Populismus. Anders als im Englischen und in den romanischen Sprachen, wo die eigenen Begriffe oftmals von den lateinischen verdrängt wurden und nur noch spezielle Bedeutungen haben, Beispiel "folk", sind im Deutschen mehr eigene Begriffe erhalten. People, peuple, pópulo, popolo, povo, popor, von lateinisch populus, heißt zu deutsch Volk; bevölkern ist englisch to populate.


Ableitungen von populus im Deutschen sind laut Duden: Popel, popeln, popelig, poplig, populär, popularisieren, Popularisierung, Popularität, populärwissenschaftlich, Population, Populismus, Populist, populistisch. Populismus heißt der Duden "eine opportunistische Politik, die die Gunst der Massen zu gewinnen sucht."


Sieben abschätzigen Bedeutungen stehen sechs wertneutrale bzw. im wissenschaftlichen Umgang gebrauchte gegenüber, ein Zeichen dafür, daß populus und seine Ableitungen keinen Eingang in die Substanz der deutschen Sprache gefunden haben. Für populär, popularisieren, Popularisierung, Popularität, populärwissenschaftlich, Population gibt es im Deutschen gleichwertige Begriffe, sie heißen volkstümlich, verbreiten, Verbreitung, Volkstümlichkeit, allgemeinverständlich, Bevölkerung.


Man muß nicht gleich so weit gehen wie Philipp von Zesen in der Adriatischen Rosemund, aber umgekehrt, sich der Fremdwörter zu bedienen, um ohne großen Aufhebens seine Meinung an die Massen zu bringen, das ist, zu deutsch gesagt, hinterfotzig.


Die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB), gewiß nicht verdächtig, politisch rechts zu stehen, definiert Populismus so:


"(lat.) P. bezeichnet eine Politik, die sich volksnah gibt, die Emotionen, Vorurteile und Ängste der Bevölkerung für eigene Zwecke nutzt und vermeintlich einfache und klare Lösungen für politische Probleme anbietet."


Entsprechend schlagen die deutschen MSM den Finnen Rechtspopulismus um die Ohren. Sie behaupten, das Wahlergebnis gründete auf Gefühlen statt Vernunft, auf Vorurteilen gegen den Islam und gegen Ausländer, Angst vor allem und jedem, Angst vor der EU und genannt "Islamophobie", also begründet in einer Krankheit, diesmal mit griechischer Endung, was sie noch gefährlicher aussehen läßt. Sie sprechen den Wählern Politik-, Urteils- und Entscheidungsfähigkeit ab.


Das ist im Zusammenhang mit dem Erfolg Geert Wilders schon deutlich geworden, auch der Schweizer Volksentscheid gegen den Minarettbau, die Wahlen in Ungarn, kurz, jede politische Äußerung, die den MSM nicht genehm ist, bringen sie in Verruf, in dem sie behaupten, es handelte sich um Gefühle, Vorurteile und Ängste, von denen diejenigen, die solches behaupten, selbstverständlich nicht befallen sind.


Sie unterstellen den Wählern Unmündigkeit, und den Parteien, die von jenen gewählt werden, daß sie "opportunistische Politik, die die Gunst der Massen zu gewinnen sucht", betreiben. Über Medien, die mit solchen Parteien symapthisieren, verhängen sie vernichtende Urteile. Deren Journalisten bekommen kein Bein in die deutsche MSM-Landschaft. Hin&wieder werden zur Aufheizung der Gemyther in Internet-Auftritten einiger MSM noch Themen streitig abgehandelt, da gibt's dann mehr werbewirksame Zugriffe auf die Seiten, und die Kassen klingeln, aber man kann davon ausgehen, daß auf einen rechten Beitrag mindestens fünf linke folgen. Noch schlimmer hausen ARD und ZDF in den Talkshows. Zu Hochzeiten der Sarrazin-Beschimpfungen toben bei Beckmann, Illner und in hartaberfair [sic!] unter der Leitung der parteiischen Moderatoren eine Überzahl von Gegnern gegen den Thilo Sarrazin an, manchmal ereifern sich auch alle, und Thilo Sarrazin ist gar nicht anwesend. So werden Millionen Zuschauer einseitig beeinflußt.


Blogger aber, die sich zurecht gegen die Herabsetzung von Wählern wenden, und die eine Bezeichnung der "Wahren Finnen" als rechtspopulistisch ablehnen, tun viel zu oft das gleiche mit ihren politischen Gegnern, die sie als Linkspopulisten beschimpfen. Google.de bietet Zigtausende von Ergebnissen zu Linkspopulismus, Linkspopulist und linkspopulistisch. Erklärungen, was darunter zu verstehen ist, sucht man wie für den Gegenbegriff vergeblich. Der eine sagt so, der andere so, und Seife ist, wenn man keine hat, nimmt man Bimsstein.


Während Osi auf dem Blog Deutschlandwoche im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme des Prozesses gegen Geert Wilders vorsichtig formuliert: "Wenn Wilders, hier in einem Gastbeitrag im Spiegel, als 'Held unserer Zeit' porträtiert, Rechtspopulist ist, müßte ein Großteil der deutschen Politiker, allen voran die ganze Kommunisten-Kamarilla der Linken, konsequent als 'Linkspopulist' bezeichnet werden," heißt es, zuletzt beim Quotenqueen-Team: "Die Finnen haben gewählt und, wie zuvor schon andere europäische Demokratien auch noch falsch. Das finden jedenfalls deutsche Journalisten, die nicht nachvollziehen können, warum Schweizer, Italiener, Ungarn, Niederländer und viele andere nicht grünen Linkspopulisten auf den Leim gehen, sondern im Interesse ihrer Völker abstimmen."


Linke Wähler, ihre Parteien und Medien aber sind ebensowenig unmündig wie diejenigen, die jetzt in Finnland für die Konservativen und die "Wahren Finnen" gestimmt haben. Auch sie vertreten beinharte gesellschaftliche und Eigeninteressen, nur andere, gründend auf anderen Werten. Darüber wäre zu diskutieren, auf welchen Werten politische Handlungen beruhen. Warum wollen in Stuttgart Bürger keinen modernen Bahnhof, andere aber wohl? Warum werden Flughafenerweiterungen von wem abgelehnt, Windräder zur Gewinnung alternativer Energie befürwortet oder abgelehnt? Wer setzt sich warum an die Spitze der einen oder anderen Bewegung? Man kommt mit den Begriffen Rechts- und Linkspopulismus in der Politik nirgendwohin.


Der Gebrauch des Begriffes Populismus und seiner Ableitungen verlagert die politische Diskussion hin zu persönlichen Angriffen im Sinne der Definition der BpB. Man kann es in den ARD- und ZDF-Nachrichten täglich verfolgen, steter Tropfen höhlt den Stein. Ungarn: Viktor Orban, Populist und Alleinherrscher? fragt die Tagesschau vor einem Jahr, wobei Populist selbstverständlich als Rechtspopulist zu verstehen ist, man muß es nicht eigens erwähnen. Es impliziert, daß es einen Linkspopulismus für die ARD nicht gibt.


Wer nun meint, man sollte ARD und ZDF nicht für ihre Wortwahl schelten, alle wüßten schon, was gemeint ist, der sei hingewiesen darauf, daß die Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Anstalten mit ihren Worten sehr genau umgehen können, beispielsweise, die ARD-Mediathek zu bewerben: "Es gibt viele Gründe, eine Sendung zu verpassen, aber keinen, eine zu versäumen." Petra Gerster zitiert in den heute-Nachrichten Attila Mesterhazy, den Vorsitzenden der oppositionellen Sozialisten (MSZP) Ungarns, die Verfassungsänderung sei illegitim, also nicht illegal, setzt aber anscheinend darauf, daß die Nachricht beim Publikum im Sinne von illegal ankommt. Es ist ein Fall mehr, wie der Einsatz des Fremdwortes Populismus. Wer von den Zuschauern kennt den Unterschied zwischen illegitim und illegal?


Es gibt in den MSM keine Nachricht, die nicht zur Meinung umgestaltet wird. Blogger, die sich dagegen wenden, sollten nicht die gleichen Mittel anwenden.