23. März 2025

Die Räumung von Gaza

Artikel vom 17. August 2005 naturbelassen, deshalb ohne Foto! 👸
www.eussner.net/artikel_2005-08-17_23-09-51.html ist im Orkus verschwunden.

Spätestens wenn Gaza vollständig von den jüdischen Siedlern geräumt ist, wird man sehen, daß es den palästinensischen Führern, vielleicht mit der Ausnahme des Mahmud Abbas alias Abu Mazen und seiner engeren Mitarbeiter, nicht um einen palästinensischen Staat auf dem Gebiet von Gaza, der Westbank und Ostjerusalems geht. Die Palästinenser werden nicht versuchen, ihr Land zu ordnen, es zu regieren und in ernsthafte Verhandlungen mit Israel um die anderen besetzten Gebiete einzutreten, sondern sie werden von Gaza aus den Terror organisieren, um ihre Macht zu festigen, weitere Gebiete und schließlich Israel zu erobern.

Sie begreifen nicht, daß sie Gaza nicht erobert haben, sondern daß es ihnen überlassen wird.

Die um die zu räumenden jüdischen Siedlungen zum reibungslosen Ablauf der Räumung aufgestellten Sicherheitsdienste der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) sind unfähig oder nicht willens, energische Schritte zu unternehmen, die Schießereien der Terrorgruppen bei ihren Siegesfeiern zu unterbinden. Solche Feiern werden nicht nur von den bekannten Terrorgruppen Hamas, PIJ und PFLP, sondern auch von der PA organisiert. Bei den Feiern preisen sie sich allesamt dafür, mit der Räumung des Gazastreifens einen Sieg über Israel errungen zu haben. Wie immer sind sie bei der Einschätzung der Lage und ihrer Kräfte fern der Wirklichkeit, was ihren Aktionen aber nicht die Gefährlichkeit nimmt. (1)

Die bewaffneten und vermummten Mitglieder der Terrorgruppen richten ihre Feiern als eindeutigen Affront gegen die PA und Mahmud Abbas aus. Dabei vorn sind Fatah-Einheiten des Faruq al-Qaddumi, der sich schon in Frankreich, nach Jasser Arafats Tod, als zu kurz gekommen bei der Verteilung des Nachlasses wähnt, und der Hamas, deren Sprecher Mahmud as-Sahar zu Verhandlungen mit Mahmud Abbas zur Aufteilung der Siedlungseinrichtungen in Begleitung von sieben bewaffneten Leibwächtern erscheint. (2)

"In diesem Rahmen (der Siegesfeiern, G.E.) veranstaltete die radikal-islamische Organisation ´Islamischer Jihad in Palästina´ am 14. August einen ´Siegeszug´ in Gaza, an dem zahlreiche Bewaffnete teilnahmen. Die Organisation will auch am 17. August an der Küste von Gaza eine militärische Demonstration der Marinetruppen veranstalten. Die radikal-islamische Hamas-Organisation veranstaltete am 16. August einen großen Aufmarsch in Khan Younis im südlichen Gazastreifen unter der Teilnahme von bewaffneten Vermummten. Die radikale ´Volksfront zur Befreiung Palästinas´ veranstaltete sogar einen feierlichen Umzug in den Straßen von Khan Younis, an dem bewaffnete Kämpfer teilnahmen, die Raketen trugen", schreibt die Botschaft des Staates Israel in Berlin in ihrem Newsletter, vom 17. August 2005.

Im Zuge der ausgebrochenen Anarchie entführen bewaffnete palästinensische Terroristen einen für den Fernsehsender France 3 tätigen französischen algerisch stämmigen Journalisten im Hotelviertel von Gaza. Auch diese Tat zeigt, daß die Terrorgruppen keinerlei Konzept für etwaige friedliche Entwicklungen im Gazastreifen haben. Welchen Sinn würde dabei eine derartige Entführung machen? Abu Mazen jedenfalls ist diese Entführung - sie ist nicht die erste ihrer Art - äußerst peinlich. Der Sicherheitsapparat versagt, sobald die geringste Anforderung an ihn gestellt wird. Man darf warten, bis die ersten Stimmen Israel die Verantwortung für dieses Versagen vorwerfen.

Der Palästinenserpräsident betont in einer Fernsehansprache auf Al-Jazeera, vom 15. August 2005, daß er die Räumung Gazas als ersten Schritt für Verhandlungen mit Israel zur Räumung auch der weiteren besetzten Gebiete ansieht. Er ruft zur Rückkehr an den Verhandlungstisch im Rahmen der "Road Map" auf. Verhandlungsgegenstand sei der Rückzug Israels in die Grenzen von 1948, die jüdischen Siedlungen in der Westbank, der Sicherheitszaun und Jerusalem.

Zur selben Zeit erklären die Führer von Hamas und PIJ, daß sie nicht daran dächten, ihre Terrorgruppen zu entwaffnen. Ihre Waffen trügen sie legal, und sie beabsichtigten, ihren bewaffneten Aufstand in der Westbank und in Jerusalem fortzusetzen bis zur "endgültigen Befreiung" von "ganz Palästina", was nach ihrer Lesart Israel und Jordanien einschließt. Der Leiter des Politbüros der Hamas Khalid Mashaal ruft in einem Interview des Senders Al-´alam TV, vom 15. August 2005, die Palästinenser zu diesem Kampf auf: "Wir haben keine Wahl als die, uns auf neue Konfrontationsrunden vorzubereiten, um mit Allahs Hilfe, gelobt sei er, unsere Länder zu befreien und unser Jerusalem und unsere Rechte zurückzugewinnen." Mit diesen Rechten ist gewiß auch das Recht auf Rückkehr von Millionen von Palästinensern nach Israel gemeint. (3)

Niemand dieser Führer sagt den Palästinensern, daß es mit der Westbank und Ostjerusalem nicht so ablaufen wird wie mit Gaza. Erst recht nicht mittels Terror. Bei Verhandlungen müßten Kompromisse seitens der Palästinenser her: Verzicht aufs Rückkehrrecht, Anerkennung Israels, das heißt eine schriftliche Änderung der PLO-Charta, Anerkennung von Grenzen, von der Verpflichtung, die Terrorgruppen zu entwaffnen und den Terror zu unterbinden, gar nicht erst zu reden.

Kein eigener Palästinenserstaat, sondern bewaffneter Kampf

Wer sich Gedanken macht über einen Palästinenserstaat, sollte es nicht versäumen, sich mit der UN-Resolution Nr. 181, vom 29. November 1947, und der Antwort der arabischen Staaten, das nationale Existenzrecht der Palästinenser betreffend, vertraut zu machen. Gegen einen Staat für die Palästinenser stimmen 13 Staaten, davon zehn islamische: Afghanistan, Cuba, Egypt, Greece, India, Iran, Iraq, Lebanon, Pakistan, Saudi Arabia, Syria, Turkey, Yemen. Großbritannien und China sind zwei von zehn Staaten die sich enthalten. Die Antwort der Delegation der arabischen Staaten auf die Teilung Restpalästinas durch die UNO ist dokumentiert. Sie setzen sich über die UN-Resolution hinweg, betrachten sich nicht an sie gebunden und drohen mit kriegerischen Maßnahmen. (4)

Die notwendige Zweidrittelmehrheit zur Staatsgründung - insgesamt stimmen 33 Staaten für die Teilung Restpalästinas und die Gründung zweier Staaten - ist Staaten wie Frankreich, Kanada, den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion zu verdanken. Sie hat drei Stimmen, ihre plus Weißrußland und Ukraine. (5)

Der in der syrischen Hauptstadt Damaskus ansässige Palästinenser Khalid Meshaal sagt es deutlich: es bleibe ihm keine andere Wahl als der bewaffnete Kampf. Wie denn auch? Hieraus beziehen er und die übrige Führungsclique ihr üppiges finanzielles Auskommen, Macht und Ansehen. Sie verdienen Millionen Petrodollar aus Saudi-Arabien, weiterhin Dollar und Euro aus den Sammlungen sogenannter Wohltätigkeitsvereine der USA und Europas, einschließlich solcher naiven Sammlungen von "10 Euro für die armen palästinensischen Flüchtlinge" in Deutschland. Letztere sind von einer Größenordnung, über die man in den Terrorkreisen nur müde lächeln wird. Allein die Herrscher Saudi-Arabiens geben jedes Jahr zig Millionen Dollar aus zur Unterstützung des palästinensischen Terrors, den sie "Glaubenskrieg" nennen, Djihad. Hinzu kommen die Millionen des Iran für den PIJ und die Hezbollah.

Schluß wäre es mit aufregenden Interviews des Khalid Meshaal, wie das im HARDtalk der BBC, "geführt an einem geheim gehaltenen Ort in Beirut unter strengen Sicherheitsvorkehrungen". Tim Sebastian von der islamfreundlichen BBC hat die große Ehre, einige Tage vor dem Heimgang des Hamas-Führers Abdel Aziz Rantisi den Politbüro-Chef der Hamas zu interviewen. Der kommt auf verschlungenen Wegen von Damaskus nach Beirut. Autos und Treffpunkte werden ständig gewechselt, schließlich reist man an einen unbekannten Ort, in einem Lieferwagen mit verhangenen Fenstern. Das sind spannende Abenteuer zur Durchsetzung des Rechtes der Palästinenser, da kommt keine Langeweile auf!

Der in Gaza ansässige Hamas-Chef Abdel Aziz Rantisi, der Architekt des Hamas-Terrors, wird in einer israelischen Militäroperation, am 17. April 2004, liquidiert. Am 19. April hat die BBC das Interview mit Khalid Meshaal online. Der Mann steht im Mittelpunkt, der Mann ist wichtig. "Khalid Meshaal, a very warm welcome to the programme", beginnt der BBC-Journalist sein Interview. Man versteht sich bestens, die BBC und die Terroristen. (6)

Leider wird es den Briten nicht gedankt, wie man am 7. und 21. Juli 2005 deutlich sehen kann.

Khalid Meshaal läßt sich in aller Breite darüber aus, daß die Terrororganisationen immer nur reagieren auf "israelische Verbrechen", diese "fordern eine palästinensische Antwort heraus". Tim Sebastian fragt nun nicht etwa, wieso Khalid Meshaal und andere Terroristen immer von Vergeltung sprechen, ob es nicht sein könnte, daß die Palästinenser und andere Araber angefangen haben mit dem makabren Spiel. Nein, er übernimmt das Narrativ so: "Wohin führt Sie diese Vergeltung?"

Khalid Meshaal trägt vor, was die Hamas will: "Unser Ziel ist, die Besatzung zu beenden, und nicht, Menschen umzubringen. Wenn die Welt in der Lage wäre, mit uns fair zu sein und uns unser Land und unsere Rechte zurückzugeben, bräuchten wir keinen Kampf und keinen Widerstand mehr." Tim Sebastian fragt jetzt nicht etwa nach, welches Land und welche Rechte das denn genau wären, nein, er fragt nach der Befindlichkeit der Terroristen, wenn sie die ermordeten, in Stücke gerissenen Israelis sähen. Khalid Meshaal wiederholt noch einmal, daß Israel angefangen hat. Es ist wie immer, die Araber sind Opfer, die sich wehren.

Über die Attentate sagt Khalid Meshaal: "Die Operationen des Widerstandes benötigen niemandes Entscheidung. Jeder Palästinenser kennt seine Pflicht." So steht es in Artikel 12 der Charta der Hamas: "A woman can go out to fight the enemy without her husband´s permission, and so does the slave: without his master´s permission," wobei en passant klar wird, daß es im Einzugsbereich der Hamas ganz selbstverständlich Sklaven gibt. Frauen dürfen entgegen den sonst strikten Regeln der Scharia im Falle der Attentate diese ohne die Einwilligung ihrer Ehemänner begehen. (7)

Vom Status quo leben Hunderttausende, von den Führern der PA, der PLO, Fatah, Hamas, PIJ, Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden, bis hin zu den Familien der Suizidbomber, den Flüchtlingen in den Lagern, den Mitarbeitern der Wohlfahrtsorganisationen und der Arab Bank, der UNRWA und anderer UN-Abteilungen "zur Durchsetzung des Rechtes der Palästinenser" - und in aller Welt, vor allem aber in Europa, viele, viele Journalisten, die ihre antisemitischen und anti-israelischen Neigungen in ihren scheinbar sachlichen Berichten über den "israelisch-palästinensischen Konflikt und die palästinensischen Freiheitskämpfer" ausleben können.

Sollen die etwa alle arbeitslos werden?

17. August 2005

Nachtrag und Änderungen, vom 20. August 2005 und vom 30. Mai 2007

Wer von meinen Lesern den Text für zu polemisch hält, der schaue sich die offizielle Karte der palästinensischen Regierung an. Auf ihr sind Israel und israelische Städte nicht eingezeichnet, sondern es steht über dem israelischen Gebiet in aller Breite "PALESTINE". Jordanien wird dort noch für eine Weile das Existenzrecht eingeräumt.

Jordanien soll allerdings im Sinne des am 9. Juni 1974 vom Palestinian National Council, dem offiziellen Palästinensischen Nationalrat, in Kairo verabschiedeten "Phased Plan", ebenfalls Palästina zugeschlagen werden: phased, die Palästinenser und ihre Freunde in den arabischen Staaten gehen schrittweise und mit großer Geduld vor. Zunächst aberkennen sie gleich im ersten Punkt des Zehn-Punkte-Planes Israel das Existenzrecht, in dem sie sich an die UN-Resolution Nr. 242, vom 22. November 1967, die dieses Recht zusichert, für nicht gebunden erklären. In den Punkten 5 und 6 erheben sie den Anspruch auf Jordanien.

Durch die einseitige israelische Räumung von Gaza wird das Programm des "Phased Plan" unmittelbar aktuell. Faruq al-Qaddumi steht dafür. Er wird versuchen, nicht-integrierbare Teile der Fatah und al-Aqsa-Märtyrerbrigaden mit den Kämpfern der Hamas und des PIJ zu vereinen, um durch fortgesetzten Terror die restlichen Gebiete des ehemaligen britischen Mandatsgebietes zu erobern. Dazu ist es unabdingbar, daß diesen Kämpfern der Eindruck vermittelt wird, durch ihren Terror hätten die Israelis Gaza aufgegeben. Ehud Ya´ari schreibt dazu im Jerusalem Report, kurz vor der Räumung von Gaza: (8)

Die palästinensische Führung, so könnte durchsickern, ist gar nicht so erpicht auf die Unabhängigkeit, die ihr geschenkt wird. Die Stimmung in den Führungskreisen bedeutender Teile der Fatah-Bewegung ist: ein Staat? Gewiß, aber nur unter Bedingungen, die Raum lassen für Optionen, den Konflikt wieder aufzunehmen - kein Sicherheitszaun, kein Verzicht auf das "Rückkehrrecht", keine Zustimmung zu Israels Absicht "Blöcke von Siedlungen" zu erhalten. Und höchstrangige palästinensische Führer sagen in privaten Gesprächen, wenn ein solcher Staat nicht sofort erreichbar ist, es macht nichts, ein Grund zur Eile besteht nicht.

Im Gazastreifen wird die de facto Unabhängigkeit, die die Palästinenser erreichen werden, ohne irgendeinen Preis dafür zu zahlen, nicht dazu genutzt werden, ein Modell erfolgreicher Souveränität zu errichten, sondern er wird vielmehr eine Basis werden für den Kampf um die Westbank und um Jerusalem. Sie werden sich weigern, den Abzug zu sehen sowohl als Ende der Besatzung des Streifens als auch der terroristischen Aktivitäten, die davon ausgehen.

Quellen

(1) Palestinian response(s) to Israeli withdrawal from Gaza. Boker tov, Boulder! September 7, 2005
http://bokertov.typepad.com/btb/2005/09/palestinian_res_1.ht ml

(2) Faruq al-Qaddumi alias "Abu Lotf", 12. November 2004 
Mit einer Aktualisierung vom 9. August 2005 
http://www.eussner.net/artikel_2004-11-12_20-22-57.html

(3) Disengagement News Update No. 1* , Intelligence and Terrorism Information Center 
at the Center for Special Studies (C.S.S), August 16, 2005
http://www.intelligence.org.il/eng/eng_n/d16aug_e05.htm

(4) Die Antwort der Delegation der arabischen Staaten auf die UN-Resolution 181 
zur Teilung Restpalästinas, vom 29. November 1947
http://www.eussner.net/artikel_2006-12-02_19-01-46.html

The Arab reaction. From Mandate to Independence. Israel Ministry of Foreign Affairs
http://www.mfa.gov.il/MFA/Foreign%20Relations/Israels%20Fore ign%20Relations%20since%201947/1947-1974/The%20Arab%20reacti on

(5) UN-Resolution Nr. 181, vom 29.11.1947 mit Liste der Abstimmung.
http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/History/partitio n.html

(6) Farouq Al-Qaddoumi: In Support of ´Resistance Attacks´ Inside Israel and Pressuring Europe with Oil Hikes: ´We (Fatah) Were Never Different from Hamas´. 
Memri Dispatch No. 462, vom 28. Januar 2003
http://www.memri.org/bin/opener.cgi?Page=archives&ID=SP46203

(6) Hamas. In a rare interview on 19 April, Tim Sebastian flew to Beirut to talk to Khalid Meshaal, 
the overall leader of Hamas.
http://news.bbc.co.uk/1/hi/programmes/hardtalk/3638925.stm

Hamas: Khaled Meshaal. Interview by Tim Sebatian, April 19,2004
http://news.bbc.co.uk/2/hi/programmes/hardtalk/3639093.stm

(7) Die terroristische Organisation Hamas
http://www.trend.infopartisan.net/trd1103/t421103.html

The Covenant of the Islamic Resistance Movement (Hamas) 18 August 1988
http://www.mideastweb.org/hamas.htm

(8) No Rush for a Palestinian State. By Ehud Ya´ari.

The Jerusalem Report, Daily Alert, August 11, 2005
http://www.dailyalert.org/archive/2005-08/2005-08-11.html

International Press Center. Palestinian National Authority. State Information Service
http://www.ipc.gov.ps/ipc_a/ipc_a-1/a_map/palcit-e.html